Im Land der tausend Sonnen
gefragt.
»Ich weiß es nicht. Wie weit ist die Stadt entfernt?«
»Ungefähr siebzig Meilen, glaube ich. Wenn nicht mehr.«
»Gott im Himmel! Siebzig Meilen Wildnis! Er könnte sich verirren oder angegriffen werden. Und er wird tagelang fort sein. Wo will er schlafen? Ich sage dir, wenn ich in dieser Sache ein Wörtchen mitzureden hätte, würde er diesen unnützen Weg nicht auf sich genommen haben. Er verschwendet nur seine Zeit. Warum können diese schrecklichen Leute von der Schafzuchtfarm uns armen Menschen nicht das Holz lassen? Sie haben doch reichlich Geld. Sie brauchen es nicht.«
Sie löste ihre Haube und wischte sich mit einem Tuch die Stirn. Als sie aufblickte, sah sie Ascheflocken im Wind treiben, und das weckte ihre Sorge. Wie nah war das Feuer? Schwer zu sagen. Um das Haus herum war es ruhig und freundlich. Selbst die Vögel waren still, wenngleich das an solch heißen Nachmittagen nicht unbedingt außergewöhnlich war.
»Missus! Missus!«
Frieda fuhr herum und sah Mia auf sich zueilen. Sie trug ihr Kind in einem Tuch auf dem Rücken, doch das hinderte sie nicht, Frieda zu packen und mit sich fortzuziehen.
»Feuer, Missus. Komm schnell!«
»Wohin? Wo ist das Feuer?«
Das schwarze Mädchen deutete wild mit dem Finger und versuchte immer noch, Frieda in die entgegengesetzte Richtung zu zerren.
»Augenblick«, sagte Frieda, um ihr zu zeigen, dass kein Grund zur Panik vorlag. »Ich kann das Feuer riechen. Aber es ist noch weit weg. Bleib du hier, ich sehe nach. Ich gehe den Bach entlang und schaue, ob sich in unserer Richtung etwas tut.« Doch dann kam Karl gelaufen, und mit ihm Mias Mann, Yarrupi.
»Mutter, er sagt, das Feuer ist schon ganz nahe. Ich bin mit ihm auf einen Baum gestiegen. Es ist riesig. Dehnt sich über Meilen aus und kommt rasch auf uns zu. Wir müssen zum Fluss hinunter.«
»Der ist doch gleich vor der Tür«, sagte sie. »Dort sind wir sicher.«
»Nein, Missus, nein«, warnte Yarrupi. »Geht jetzt!«
Plötzlich wurde sich Frieda der Ungeheuerlichkeit dessen, was er da andeutete, bewusst. »Was sagen sie da? Wir sind hier nicht sicher, Karl? Wir sind in unserem eigenen Haus nicht sicher? Unser Haus! All unsere Sachen! Nein … das kann nicht wahr sein.«
»Es wird schon alles gut gehen«, versuchte Karl sie zu beruhigen. »Aber dieser Wind ist so heiß. Unten am Fluss wird es kühler sein.«
»Rede keinen Unsinn! Wir können in unserem Haus Schutz suchen.«
»Nein, Missus!«, schrie Mia. »Haus brennt ganz ab! Geht jetzt! Schnell, bitte!«
Frieda wandte sich Karl zu und schrie: »Was hat sie gesagt? Das Haus würde abbrennen? Nein! Das glaube ich nicht. Wenn Jakob hier wäre, würden sie uns nicht solche Angst einjagen. Sag ihnen, sie sollen gehen.«
»Hör doch, Missus«, sagte Yarrupi, und während Frieda bestürzt zurückwich, hörte sie zum ersten Mal das Geräusch eines sich nähernden Buschfeuers.
In ihren Ohren klang es wie ein tosender Kamin, unwirklich und noch weit entfernt. Es war schwer zu glauben, dass eine Katastrophe drohte.
Noch mehr Zeit ging verloren, als sie ins Haus lief, um der Panik der anderen zu entkommen, und sich hastig umschaute, um zu entscheiden, was sie notfalls mitnehmen würde. Die alte Familienbibel mit ihren Andenken, den abgeschabten Koffer mit Jakobs Geschäftspapieren – das fiel ihr ins Auge, und sie griff danach. Dann nahm sie ihre Büchse mit Geld an sich und stand da, zu verwirrt, um weitere Entschlüsse zu fassen. Das alles durfte nicht wahr sein.
Doch der Himmel hatte sich in einen Baldachin aus Funken und fliegenden Blättern verwandelt, und da rannte sie mit den anderen, rannte den Wagenspuren nach, hinunter zum Fluss und hörte hinter sich das Monster, das sie verfolgte wie eine Flutwelle. Das Geräusch war jetzt sehr nah und verbreitete Angst und Schrecken. Sie konnten sich nicht nach dem Haus umsehen, nach dem Gemüsegarten, denn der Weg schlängelte sich durch den Busch.
Sie standen im Fluss, in Sicherheit, dankbar für die uralten Mangrovensümpfe, die verhinderten, dass das Feuer an den Fluchtpunkt vordrang, den sie mit den Tieren des Waldes teilten. Dingos lagen hechelnd im
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