Im Land der tausend Sonnen
und hat sich verletzt.«
Lulla drang nicht weiter in sie, doch Hanni wusste jetzt, dass sie nur eines von Keiths Opfern war. Aborigine-Mädchen waren genauso hilflos wie sie … verführt von seinem künstlichen Charme. Von seinem hinterhältigen Charme.
Später, als der Nachmittag zu Ende ging und Lukas immer noch nicht gefunden war, kam Lulla noch einmal zu ihr.
»Soll ich heute Nacht bei dir in deinem Zimmer bleiben, Missy?«
Hanni war schon im Begriff, sie abzuweisen, doch dann wurde ihr klar, dass der Stuhl unter dem Türgriff nicht viel Schutz vor diesem Mann bot, falls er es sich in den Kopf setzte, sie zu besuchen.
»Würdest du das tun? Bitte?«, sagte sie, und dann weinte sie, weinte und weinte unaufhörlich. Aus Angst. Aus Panik. Und weil sie ein schrecklich schlechtes Gewissen hatte. Ihre Angst vor Keith Dixon war verflogen. Hanni weinte um ihren geliebten Lukas. Was war ihm zugestoßen? Was hatten sie ihm angetan? Sie gab sich selbst die Schuld. Sie war überzeugt, dass Keith Dixon Lukas aus eigennützigen Gründen irgendwie beseitigt hatte.
In dieser Nacht, als sie auf Lukas warteten, redete sie mit Lulla. Sie erfuhr, dass Keith Dixon Aborigine-Frauen als Freiwild für seine sexuellen Begierden betrachtete und dass die Aborigines vermuteten, auch sie sei ein Opfer seiner Triebe.
»Genau wie das letzte weiße Mädchen«, sagte Lulla. »Aber das Mädchen nicht verheiratet. Also erzähl mir nicht, er hätte es nicht bei dir versucht, Hanni.«
Hanni musste diese Information zunächst verdauen. Sie war sprachlos, dass Keiths Aufmerksamkeit nichts mit ihrem hübschen Aussehen, mit ihrer Schönheit zu tun hatte. Sie war nichts weiter als irgendeine Frau, jung, mehr oder weniger verfügbar. Das machte sie wütend. Es demütigte sie noch mehr.
Sie gab zwar nicht direkt zu, dass er »es bei ihr versucht« hatte, wie Lulla es ausdrückte, weil sie keinem Menschen auf der ganzen Welt jemals würde erzählen können, was er mit ihr getan hatte, doch sie hörte auf, es abzustreiten, und Lulla wusste Bescheid.
»Droben im Haus wissen sie nichts von ihm«, sagte Lulla.
»Über mich?« Hanni hätte beinahe vor Schrecken aufgeschrien.
»Nein. Über ihn und unsere Mädchen. Manchmal kommt er nachts in unser Lager. Packt sich ein Mädchen. Bezahlt die Männer für uns. Wir können nichts tun. Der alte Boss, dem ist es egal. Missus Dixon nicht. Sie schreit und schimpft. Ich schätze, du solltest zu Mrs Dixon gehen, die lässt nicht zu, dass er dich noch einmal anfasst.«
»Damit mein Mann alles erfährt? Nein. Und du erzählst auch nichts, Lulla. Sobald Lukas zurück ist, gehen wir weg von hier.«
Spät in der Nacht klopfte es an der Tür, und die beiden Mädchen waren sofort wach. Lulla, die am Fußende des Doppelbettes lag, reagierte als Erste.
»Wer ist da?«, schrie sie so laut, dass ihre Stimme die Toten hätte wecken können, doch sie erhielt keine Antwort. Und in dieser Nacht klopfte es nicht mehr an Hannis Tür.
Am Morgen, als immer noch keine Nachricht von Lukas gekommen war, fühlte Hanni sich so elend, dass sie mit niemandem außer Lulla reden wollte, und Elsie wies das Aborigine-Mädchen an, sich um sie zu kümmern, bis alles überstanden war.
Gleich nach seiner Rückkehr erstattete der Suchtrupp J. B. Dixon Bericht. Er entließ sie kommentarlos und ging zurück in sein Arbeitszimmer, um über das Gehörte nachzudenken. Es störte ihn wenig, dass das Haus der Meissners abgebrannt war. »Das war sowieso nur eine Blockhütte«, sagte er zu sich selbst. »Die Überreste unserer alten Schäferhütte. Keinen Pfifferling wert.« Aber er hätte schon gern gewusst, wo Fechner geblieben war. Augenscheinlich waren die Meissners vor dem Feuer geflüchtet, hatten irgendwo Unterschlupf gefunden, aber war Fechner bei ihnen? Die Frau wohnte noch auf der Farm, das sollte ihn doch eigentlich zurückholen, außerdem hatte er noch Lohn zu bekommen. Also: Wo steckte er? Falls er einen Unfall gehabt hatte, war mit weiteren Komplikationen zu rechnen, mit echten Problemen, und alles nur, weil sein Dummkopf von einem Sohn den dritten Viehtreiber nicht wahrgenommen hatte. Vermutlich musste er jetzt einen weiteren Suchtrupp aussenden, um den Schein zu
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