Im Land der tausend Sonnen
kleinen Siedlung, und das bekümmerte den Pastor. Er glaubte, als Seelsorger versagt zu haben, nachdem nur drei Mitglieder ihrer lutherischen Gruppe das Leben in der Gemeinde wahrhaft genossen. Und dann brach direkt vor seinen Augen auch noch eine Ehe auseinander.
Allerdings hatte er auch noch ein anderes Problem. Bevor die Gruppe von Hamburg aus aufgebrochen war, hatte er eine wunderschöne Glocke für den Turm der Kirche in Auftrag gegeben, die er in Bundaberg zu errichten gedachte. Seine Kirche war nun fast fertig. St.-Johannis-Kirche sollte sie bei der Einweihung getauft werden. Walther und Lukas zimmerten bereits die Bänke und die Altargitter, und ein paar Männer setzten die beiden wunderschönen bleiverglasten Fenster in der Wand hinter dem Altar ein.
Er hatte einen Lieferbescheid erhalten, der besagte, dass die Glocke in Brisbane eingetroffen sei und gegen Zahlung der Summe von 22 Pfund, 7 Shilling und 6 Pence an den Beauftragten des Herstellers nach Bundaberg geliefert werden könne. Die Frachtkosten von siebzehn Shilling plus Zollgebühr müssten bei Lieferung entrichtet werden.
Pastor Beitz wäre verzweifelt, hätte sein Glaube ihn nicht aufrecht gehalten. Seine Kirche hatte keinen Glockenturm. Noch konnte er sich keinen leisten. Er konnte es sich nicht einmal leisten, die Männer zu entlohnen, die die bleiverglasten Fenster einsetzten, geschweige denn die ungeheure Summe für seine Glocke nach Brisbane zu schicken. Walther hatte versucht, die Arbeit an den Fenstern aufzuschieben, doch das durfte nicht sein. Und offenbar hatten Tibbaling und seine Leute sich jetzt endlich in seinen Bann ziehen lassen. So etwas Schönes wie diese Fenster hatten sie noch nie gesehen. Sie kamen von nah und fern, brachten ihre kleinen schwarzen Babys mit, damit sie sich die fast fertigen Fenster anschauten, strömten ins Innere der Kirche und betrachteten das überwältigende Farbenspiel, das das Sonnenlicht auf den Boden aus Zedernholz zauberte: Jesus und die kleinen Kinder auf der einen Seite und die Heilige Dreifaltigkeit auf der anderen Seite.
Pastor Beitz selbst war so glücklich über die Freude, die seine fast fertigen Fenster den Eingeborenen brachte, dass ihm die Tränen in die Augen traten, als er sie auf die Knie sinken sah. Offenbar waren sie überzeugt, dass sein Gott sich nun offenbart habe. Der Gott, von dem er die ganze Zeit geredet hatte. Jetzt konnten sie Ihn in lebendigen Farben sehen. Doch die Eingeborenen, Tibbaling eingeschlossen, bezeichneten Ihn immer noch als Götter der Weißen. Götter! Erst jetzt wurde Pastor Beitz klar, dass seine Themenwahl für das zweite Fenster vielleicht doch ein Fehler war. Oder vielmehr, ein bisschen voreilig.
Die Dreifaltigkeit zu erklären war schwierig, besonders Tibbaling gegenüber, der ihn manchmal mit seinen vielen Fragen zur Verzweiflung brachte. Doch nach zahlreichen Gesprächen sah es so aus, als hätte es der alte Aborigine begriffen, und Pastor Beitz war außer sich vor Freude. »Verstehst du es jetzt?«
»Ja. Eigentlich verdammt einfach«, freute sich Tibbaling.
»Du redest viel zu umständlich. Bringst dich selbst ganz durcheinander. Jetzt sagst du, du hast nur einen Gott. Nur einen, nicht mehr. Gut. Ich möchte deinen Gott gern einmal kennen lernen.«
»Du wirst ihn kennen lernen, lieber Freund. Das ist mein liebster Traum.«
»Denn unser Volk hat keinen Gott, nur Geister, und das ist gut so. Lernen wir deinen kennen. Gut, nicht wahr? Aber stell ihn uns wirklich vor.« Er lachte und boxte den Priester gegen den Arm. »Je mehr gute Geister, desto besser, oder?«
»Ja«, gab der Priester zu.
»Und die drei Burschen nennst du Dreifaltigkeit?«
»Ja.«
»Und der junge mit dem Bart, der ist auf die Erde gekommen?«
»Ja.«
»Und du sagst, die anderen beiden sind Geister?«
»Nun ja, da ist der Heilige Geist, gut, und der Vater …«
»So sehe ich das auch. Da oben hast du einen Dreifachmann. Einer zeigt sich den Erdenmenschen, die anderen sind immer bei ihm, wie? Aber wir können sie nicht sehen.«
»So könnte man es ausdrücken«, sagte Beitz versonnen.
Tibbaling blickte den Priester ernst an. »Auch du nicht? Du kannst die anderen beiden Männer nicht leibhaftig
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