Im Land der tausend Sonnen
für Eva. Sie war noch rechtzeitig gekommen, um sich ein Häuschen zu sichern, nachdem sie erst am Vorabend erfahren hatte, dass der Besitzer, ein Mr Gibson, mit seiner Familie nach Maryborough zog. Zuerst war es peinlich gewesen. Mr Gibson hatte gewusst, dass Evas Mann noch nicht wieder zu Hause war, und er hatte keine Lust, sein Haus an zwei Frauen und drei Kinder zu vermieten. Hanni hatte sich beeilt, ihm die Situation zu erklären.
»Nein, nein. Mein Mann, Mr Lukas Fechner, ist der Verantwortliche.«
»Und wo ist er?«
»Er arbeitet, Sir. Deshalb habe ich freie Hand, Vereinbarungen mit Ihnen zu treffen.«
»Und kann er denn die Miete für Sie alle bezahlen? Auch für die Zimmermanns? Das ist eine ganze Menge, Mrs Fechner.«
»Aber ja. Das ist kein Problem. Mrs Zimmermann arbeitet inzwischen als Köchin im Royal Hotel, und ich bin dort Stubenmädchen. Wir haben alle unser Einkommen.«
»Sehr schön. Ich erwarte, dass Sie mein Haus in Ordnung halten und den Garten versorgen. Meine Frau wäre sehr betrübt, wenn Sie ihre Pflanzen verkümmern ließen.«
»Wir werden den Garten pflegen, Sir.«
»Schön. Die Miete zahlen Sie an Mr Pimbley, den Ladenbesitzer. Kennen Sie ihn?«
»Natürlich, Sir. Wir sind befreundet.« Hanni betete innerlich, dass Mr Gibson nicht über Jim Pimbley von ihrer noch andauernden Trennung von Lukas erfuhr.
Seit Weihnachten hatte sie Lukas nicht mehr gesehen, doch Eva, die nach wie vor sonntags zur Kirche ging, hatte berichtet, dass er für Walther das Fundament der Brauerei mauerte. Immerhin hat er jetzt Arbeit und eine gute Zukunft, hatte Eva gesagt, wenn er zu einem so frühen Zeitpunkt bei Walther einsteigt.
»Die beiden, die werden es zu was bringen, Hanni. Gib gut Acht, sonst übergehen sie dich. Ich verstehe nicht, warum du dich nicht mit Lukas versöhnst. Übertriebener Stolz, das ist alles. Glaub mir, du musst deinen Stolz vergessen, wenn du heutzutage weiterkommen willst …«
Welchen Stolz?, fragte sich Hanni. Nach allem, was ich erlebt habe! Nachdem mein Mann mir an allem die Schuld gibt! Doch sie war froh, endlich aus diesem Schuppen ausziehen zu können. Freute sich darauf, ein Zimmer für sich allein zu haben. Was für ein Luxus. Es war das reinste Chaos, eine Wohnung mit Eva und den Kindern teilen zu müssen, doch von Eva war es freundlich gewesen, sie aufzunehmen, und deshalb durfte sie sich nicht beklagen.
Unter der Markise des neuen Einrichtungshauses in der Burbong Street machte sie Halt und sah zu, wie Reiter eine Herde von Pferden auf einem freien Platz zusammentrieben. Es beunruhigte sie, wenn Reiter in die Stadt kamen, es machte ihr Angst, weil Keith Dixon unter ihnen hätte sein können und sie womöglich vor allen Leuten beschimpfte. Hanni hatte sich verändert. Die brutalen Vorfälle hatten sie gründlich verängstigt, und obendrein noch als Diebin bezeichnet zu werden … Manchmal überlegte sie, ob sie nicht mit Pastor Beitz reden, ihm alles beichten sollte, damit sie guten Gewissens wieder in die Kirche gehen konnte, doch sie bezweifelte, dass er sie verstehen würde. Höchstwahrscheinlich würde er nur alles noch verschlimmern, indem er mit dem Finger auf sie und ihre Schande zeigte, auf sie ganz allein. Gott weiß, wie er reagiert, sagte sie sich, aber du kannst sicher sein, dass du selbst am schlechtesten dabei wegkommst, also lass es lieber.
»Ich wollte, ich könnte nach Hause«, sagte sie leise, als sie das schützende Dach hinter sich ließ und barfuß durch tiefe Pfützen watete. Nachdem das Gespräch mit Mr Gibson nun hinter ihr lag, hatte sie die Schuhe an den Senkeln zusammengebunden und sich um den Nacken gelegt. Warum sollte sie sie völlig ruinieren?
»Genau das werde ich tun«, sagte sie plötzlich. »Ich spare mein Geld und gehe nach Hause. Oder wenigstens zurück nach Hamburg.«
Charlie Mayhew befand sich mit Constable Colley auf dem Weg zum Pub. Er sah Hanni um die Straßenecke kommen und auf die Rückseite des Gebäudes zustreben.
»Sag mal, Clem. War das nicht das deutsche Mädchen, das auf Clonmel arbeitet?«
»Gearbeitet hat, Charlie. Sie ist schon seit einer Ewigkeit nicht mehr dort. Wurde gefeuert.«
»Lieber Himmel! Warum
Weitere Kostenlose Bücher