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Im Land der tausend Sonnen

Titel: Im Land der tausend Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
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Sie hatten ihm das Pferd gelassen. Er war überzeugt gewesen, dass sie es stehlen würden. Sie mussten doch gesehen haben, was für ein schönes Tier Queenie war.
            Friedrich seufzte bitter. Ach ja. Er erinnerte sich. Hier war ein Pferdedieb schlimmer angesehen als ein Mörder. Sie hatten ihn fast umgebracht. Sie hatten gedroht, ihn umzubringen, aber sie hatten ihm sein Pferd gelassen.
            Er blieb noch eine Weile sitzen und überprüfte, immer noch ächzend und schimpfend, seine Verletzungen. Seine Nase blutete. Bestimmt waren auch ein paar Rippen gebrochen. Er schmeckte Blut und Schlamm und Wut.
            Damit sollte Dixon nicht davonkommen.
             
            Tibbaling beobachtete den Vorfall völlig teilnahmslos. Diese Burschen prügelten Doppelmann ordentlich durch, doch das wirklich Interessante an dieser Episode war das Verhalten des Heiligen Geistes, der den Mann ständig begleitete. Er machte keinerlei Anstalten, dem Opfer zu helfen, mehr noch, es schien ihn nicht einmal zu bekümmern.
            Dieser Heilige Geist, er war doch ein mächtiger Gott, er hätte die Angreifer mit einem Blitz erschlagen können. Oder er hätte die Erde sich öffnen und sie verschlingen lassen können. Aber er tat nichts dergleichen. Er stand nur da, der traurigste Gott, den Tibbaling je gesehen hatte.
            Die christliche Religion war zweifellos höchst merkwürdig. Im Grunde hatten die beiden Götter, der Heilige Geist und Gottvater, ja auch tatenlos zugesehen, als die Feinde den Sohn Jesus ans Kreuz nagelten. Nach Beißts Worten eine wahre Begebenheit. Also … ihre Götter mischten sich bei einem feindlichen Angriff nicht unbedingt ein. Beißt hatte ihm etwas darüber erzählt, dass man die andere Wange hinhalten sollte, statt sich zu wehren.
            Er lächelte leicht. Doppelmann hielt hier tatsächlich die andere Wange hin, allerdings nicht still und ergeben, sondern unter Kreischen und Jammern, ja, sogar Fluchen. Nein, er hatte die Gesetze nicht korrekt befolgt. Und wie war das mit der Sache in Beißts Hütte? Er war ein böser Mensch, er hätte Beißt getötet, erstickt mit diesem Sack zum Kopfdrauflegen. Und doch mochte Beißt diesen Mann, nannte ihn seinen Freund. Den Mann, der den Knochen auf ihn gerichtet hatte, der Beißt mit den eigenen Händen ermorden wollte.
            Die Schlägerei war vorüber. Tibbaling hoffte, dass sie Doppelmann getötet hatten; das würde allen viel Ärger ersparen und es diesem unnützen Heiligen Geist ermöglichen, nach Hause zu gehen, wo immer das sein mochte. Seine Mission als Begleiter des jungen Hilfspfarrers erschien ihm sinnlos. Tibbaling fasste Mut und trat näher heran. Der Geist war meistens nur schattenhaft zu erkennen, doch an diesem Abend wirkte er klarer. Er war genauso gekleidet wie Doppelmann, sah ihm sogar ziemlich ähnlich.
            Doch als die Angreifer auf ihre Pferde stiegen und fortritten und das Opfer taumelnd auf die Füße kam, wandte der Heilige Geist sich Tibbaling zu, streckte mit unsagbar trauriger Miene den Arm nach ihm aus, und auch der alte Mann wurde von grenzenloser Traurigkeit erfasst. Er sah die tiefe Wunde seitlich am Kopf des Geistes, sah das Blut an seiner Schulter und hörte ihn in deutscher Sprache reden. Die Worte verstand er nicht, aber er wusste nun alles. Er wusste, was geschehen war.
            Ein Wind erhob sich, und der Geist blickte in Richtung Gemeinde; er bewegte sich dorthin, verließ Doppelmann, verließ ihn, und Tibbaling nickte. Er hatte letztendlich doch eine Mission gehabt. Nachdem diese nun erfüllt war, konnte er sich zur Ruhe begeben. Tibbaling hatte die Botschaft verstanden. Für diesen Geist, der nicht der Heilige Geist, sondern ein sanftmütiger, guter Mensch gewesen war, den der üble Priester ermordet hatte, war es zu spät. Aber es war nicht zu spät, um Beißt zu retten.
            Wolken zogen eilig über den dunklen Himmel, löschten die Sterne aus, und der Wind frischte auf. In großen Tropfen fiel der Regen auf die heiße Erde, und Dunstschleier stiegen auf. Friedrich schaffte es, zu seinem Pferd zu wanken und nach mehreren Versuchen aufzusitzen. »Dixon wird es noch bereuen, dass er geboren wurde«, sagte er zu Freddy. Das Sprechen schmerzte auf Grund des geschwollenen Kiefers. Er blickte sich um. Seine Stimme hatte hohl geklungen, als befände er sich auf einer großen leeren Bühne. Er drehte sich im Sattel und schrie

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