Im Land der tausend Sonnen
turbulenten Begegnung den Drang zu lachen. Vielleicht ist es auch ein Anflug von Hysterie, überlegte er, angesichts unserer beklagenswerten Situation.
»Ah, ja«, sagte der Pastor auf Englisch. »Du bist der große Häuptling Tibbaling? Das stimmt doch?«
Er erhielt keine Antwort. »Was dein Name?«
»Beitz.«
»Beißt!« Der alte Mann grinste. Er drehte sich um und rief seinen Leuten in seiner eigenen kehligen Sprache etwas zu, und zur allgemeinen Überraschung brachen alle in Gelächter aus, klatschten sich an die Stirnen und auf die Schenkel, bis Tibbaling den Speer hob und Schweigen gebot.
Abrupt wandte er sich wieder dem Geistlichen zu. »Du bist Zauberer von weißem Mann, he? Dann sag ihnen, das hier unser Land.« Er deutete mit einem knochigen Finger auf den Wald und stapfte hinüber, um den frisch geschlagenen Weg zu betrachten. »Was tut ihr? Macht alles kaputt. Geh weg hier, du Beißt. Nimm deine Leute mit. Los, geh weg!«
»Nein! Nein!«, rief Beitz verzweifelt. »Das ist unser Land. Wir haben dafür bezahlt.«
»Niemals!« Der alte Eingeborene spie aus. »Das hier Banjoor-Land.« Er gestikulierte mit beiden Armen. »Alles Banjoor-Land. Geht weg!«
Beitz war so bestürzt, dass er in seine Muttersprache verfiel und Tibbaling zu erklären versuchte, dass er mit Liebe im Herzen, im Namen Jesu gekommen sei, dass er sämtliche guten Schwarzen an sein Herz nehmen wolle …
Er streckte die Arme aus, und Tibbaling, ohnehin schon verwirrt durch die fremde Sprache, wich so hastig zurück, als fürchte er eine ansteckende Krankheit.
»Englisch!«, erinnerte Walther den Pastor, der verzweifelt die Schultern hängen ließ, als ihm bewusst wurde, dass seine kleine Predigt umsonst gewesen war.
»Es tut mir Leid«, sagte der Pastor zu Tibbaling. »Bitte versteh doch, das hier ist unser Land. Wir haben es gekauft. Aber ihr seid hier auch willkommen.«
»Du wie alle anderen!«, fuhr Tibbaling ihn an. »Die Banjoor kein Geld für Kaufen gesehen. Das hier unser Zuhause. Ihr geht weg!«
Als der Streit erneut einsetzte, begann Eva Zimmermann, eine Segeltuchtasche zu packen. »Das reicht. Wir gehen. Mach die Kinder fertig, Theo.«
»Wir gehen auch«, rief Hanni Fechner, und ihr Mann nickte.
»Hier können wir nicht bleiben.«
Tibbaling strahlte sie an, offenbar war er der Meinung, er hätte diesen Aufbruch herbeigeführt.
Der Pastor ließ den Häuptling stehen und versuchte, die Abtrünnigen zum Bleiben zu bewegen, doch der Auszug hatte begonnen. Die meisten seiner Schäfchen kehrten zurück in die Baracke und kündigten an, dass sie den Karren schicken würden, der den Rest ihrer Habseligkeiten abholen sollte. Frieda und Karl hatten sich noch nicht gerührt; sie verfolgten mit gespanntem Interesse die Auseinandersetzung mit den Schwarzen, die nun nicht mehr bedrohlich wirkten. Ihr Häuptling war zurückgetreten, stützte sich lässig auf seinen Speer, und seine Leute machten den Zimmermanns Platz auf der schmalen Straße und grinsten die Kinder fröhlich an.
»Wir bleiben noch eine Weile«, sagte Jakob zu Frieda. »Wir müssen die Lage mit den Schwarzen erst geklärt haben.«
Binnen einer Stunde waren alle bis auf Walther, die beiden Lutze-Jungen und Pastor Beitz gegangen. Die Aborigines hatten offenbar keine Eile, und Jakob ging zu Beitz, der Zuflucht in einem Segeltuchsessel am Zugang zu ihrem Land gesucht hatte.
»Soll ich mit ihnen reden?«, fragte er, doch der Pastor sprang auf und schob sein Brevier in die tiefe Tasche seines Gehrocks.
»Ganz gewiss nicht. Das ist meine Angelegenheit.«
Er schritt hinüber zu Tibbaling. »Das sind jetzt alle. Die Übrigen bleiben hier.«
»Ihr geht weg!«
»Nein. Wir sind eure Freunde. Was wollt ihr denn? Uns töten? Das glaube ich nicht. Wir wollen hier leben. Ihr könnt auch hier leben, wenn ihr das möchtet, aber das Land gehört uns, und damit genug.«
Jakob hörte, wie Frieda scharf den Atem einzog. »Hast du das gehört, Jakob? Er lädt sie ein, bei uns zu wohnen!«
Tibbaling runzelte die Stirn. Mit der Speerspitze kratzte er sich am Kopf, dann fuhr er in plötzlicher Wut
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