Im Land der tausend Sonnen
zu dem Pastor herum. »Warum Land gehört dir?«
»Gott schickte mich hierher. Er möchte, dass ich euch zu Ihm führe.«
»Ist er da drin?« Tibbaling spähte ins Unterholz.
»Gott ist überall«, betonte Beitz.
Der Schwarze ließ das Thema Gott fallen und kam auf die ursprüngliche Frage zurück. »Hier alles gehören meinem Volk«, sagte er fest.
»Ja. Ja, Häuptling«, antwortete Beitz erleichtert. »Eure Jagdgründe, ja. Sehr schön. Ich und meine Leute, wir leben hier, verstehst du? Wir wollen, dass ihr euch uns anschließt. Dass ihr auch hier lebt.«
Tibbaling hob einen Zweig auf und zerbrach ihn, während er einen Schritt zurücktrat, um die Fremden noch einmal zu mustern.
»Deine Leute leben da drin? Verrückt!«
Seine Gefährten auf dem Weg wurden unruhig, liefen unschlüssig umher und verstanden nicht, welche Rolle sie in diesem Wortwechsel spielen sollten.
Jakob dachte über ihre Probleme nach.
Die Weißen waren nicht nur in ihre Territorien eingedrungen, nein, die Eingeborenen hatten auch eine fremde Sprache lernen müssen, ohne auf das geschriebene Wort zurückgreifen zu können.
Und da stand nun dieser alte Mann, ungefähr im gleichen Alter wie Pastor Beitz, und stritt mit ihm, und beide hatten Mühe mit der fremden Sprache.
»Es ist schon sonderbar bestellt«, sagte er zu Walther, der lediglich versonnen den Kopf schüttelte. Während er die beiden Alten beobachtete, begann Jakob unwillkürlich, ihren jeweiligen Werdegang zu vergleichen. Der eine war aus dem Säulenportal des St.-Johannis-Seminars in Hamburg hervorgegangen, ein verdienter Mann, der sich in seinem fortgeschrittenen Alter mit der Weigerung, in den Ruhestand zu treten, das Recht erworben hatte, Missionar zu werden. Der andere ein primitiver Mann, der aus seinem jungfräulichen Garten Eden in die Welt der Weißen gestoßen worden war, die ihm fremder war als alles, was er sich je hatte vorstellen können.
Eine große Traurigkeit überkam Jakob. Er hatte ein schlechtes Gewissen, weil er im Begriff war, den Pastor im Stich zu lassen. Er hatte ein schlechtes Gewissen, weil er und seine Familie ein Teil der weißen Flut waren, die ein Volk von unschuldigen Schwarzen hinwegspülte.
»Wir können nicht gehen«, sagte Beitz gerade. »Das geht einfach nicht. Wir haben keinen anderen Ort, an dem wir uns ansiedeln könnten.«
»Keinen Ort?«, fragte der Aborigine verständnislos. »Wo seid ihr hergekommen? Geht dahin zurück.«
Jakob mischte sich ein, um dem Disput ein Ende zu machen. »Das ist unmöglich, aber wie Pastor Beitz schon sagte, wir sind Freunde. Wir wollen euch nichts Böses.«
Noch während er sprach, überkam Jakob mit neuer Kraft das schlechte Gewissen, denn im Grunde entsprach seine Behauptung nicht ganz der Wahrheit. Was würde den Aborigines bleiben, wo sollten sie jagen, wenn dieses Land eines Tages urbar gemacht war?
Doch dann zerriss ein Flintenschuss die Stille ringsumher, und alle fuhren herum, als ein Reiter in vollem Galopp den Weg entlangkam.
Der Trupp Aborigines tauchte eilends in den Wald am Straßenrand ein und war verschwunden, als der Reiter mit finsterer Miene in das Lager am Wegesrand einritt.
»Gehören Sie zu dieser Bande von Deutschen?«, schrie er Walther an, der ihm am nächsten stand, doch Walther, der englischen Sprache noch nicht so sicher, wollte nicht Sprecher sein, rückte zur Seite und wies mit einem Kopfnicken auf Jakob.
»Ja, Sir«, sagte Jakob vorsichtig. Dieser Bursche trug eine schwarze Uniform mit silbernen Knöpfen, aber ohne Rangabzeichen. Wahrscheinlich war er eine Art Beamter, doch sein Gewehr ließ auf eine andere und gefährlichere Art von Autorität schließen.
Der Reiter saß ab und blickte Jakob mit kalten Augen grimmig an.
»Wie heißen Sie?«
»Meissner, Sir, und das sind meine Frau und mein Sohn Karl.«
Aus den Augenwinkeln bemerkte Jakob, dass Karl grinste – über den Schuss, der die Eingeborenen vertrieben hatte. Sein Vater furchte die Stirn, und Karls Grinsen verschwand.
»Gut, also, Mr Meissner, mein Name ist Stenning. Jules Stenning. Verstanden?«
»Ja,
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