Im Land der tausend Sonnen
ein guter Mensch. Aber du bist nicht gebunden. Ich muss eine Familie versorgen …«
»Das ist eine schwache Ausrede. Deine Frau und dein Sohn erfreuen sich bester Gesundheit, du hast ein gutes Zelt. Was willst du noch mehr?«
Da die anderen hören konnten, was er sagte, brachte Jakob es nicht über sich zu erklären, dass er nicht mehr hier sein wollte, wenn die gemeinsame Kasse leer war und das Land noch immer nichts hervorbrachte. Stattdessen ging er zurück zum Zelt und begann zu packen, wie viele andere auch.
»Ich weiß nicht, warum wir überhaupt über Nacht geblieben sind«, sagte Frieda mürrisch. »Wir hätten gar nicht erst herkommen sollen.«
»Es war gut, dass wir es getan haben«, erwiderte Jakob. »Es war gut so, und sei es nur, weil wir ein wenig helfen konnten.«
In dem Moment schrie eine Frau. Alle erstarrten und schauten sich nach der Ursache ihres Schrecks um. Ein paar Frauen wollten sich im Wald in Sicherheit bringen, als sie sahen, was geschah. Ein Trupp Eingeborener, etwa dreißig wild aussehende Gestalten, kamen den Weg entlang auf sie zu: große, sehnige Männer, sehr dunkel, die meisten trugen dichtes, glattes Haar und zottelige Bärte, und abgesehen von Schmuck aus Perlenketten und Muscheln waren sie nur mit Lendenschurzen oder von den Hüften hängenden Hosenbeuteln bekleidet. Sie schwangen lange, bedrohliche Speere.
Jakob ging ihnen entgegen, um den Grund ihres Besuchs in Erfahrung zu bringen, doch Walther kam ihm zuvor, und so hielt er sich zurück, zugegebenermaßen dankbar, denn die Buschmänner wirkten keineswegs freundlich.
Walther marschierte die Straße entlang, um sie aufzuhalten. Seine Größe und seine kräftige Statur gereichten ihm zum Vorteil, wie Jakob meinte, und er sah zu, wie mit heftigen Gesten ein Gespräch geführt wurde.
»Was ist los?«, fragten die Leute um ihn herum.
»Werden sie uns angreifen?«
»Nein. Bestimmt nicht.«
»Woher willst du das wissen?«
Ein dünner, älterer Schwarzer trat vor und schüttelte Walther die Hand, und alle seufzten erleichtert auf. Die beiden Männer gingen zum Lager, doch die übrigen Eingeborenen blieben auf dem Weg stehen, ob abwartend, scheu oder drohend, konnte Jakob nicht sagen.
»Der hier ist der Häuptling«, rief Walther. »Er heißt Tibbaling und will mit unserem Anführer sprechen. Wo ist Pastor Beitz?«
Nachdem der Pastor die Frauen und Kinder von dem schamlosen Anblick bewahrt hatte, tauchte er nun in ein Zelt und kam schließlich, den Lutherrock sorgfältig zugeknöpft, wieder heraus, um sich der Herausforderung zu stellen. Sein Kreuz hing an der Kette um seinen Nacken, das Brevier trug er in der Hand und den schwarzen Pastorenhut ordentlich auf dem Kopf. Jakob hatte den Eindruck, dass der alte Mann seinem ersten Zusammentreffen mit den Eingeborenen, die zu retten er gekommen war, recht nervös entgegensah und dass er zu diesem Zweck seine geistliche Rüstung angelegt hatte.
»Was will er?«, fragte Beitz mit bebender Stimme, als der Häuptling vor seinen Füßen den Speer in den Boden trieb und das Kinn vorreckte. Tibbalings Bart war grau und schütter, und sein Gesicht hatte die Farbe von Gusseisen. Auch er trug die Insignien seines Amtes: einen kegelförmigen Kopfschmuck aus getrocknetem, mit Pelz besetztem Ton, einen Kurzspeer und Halsschmuck mit einem sehr großen Zahn als Anhänger, den er so stolz präsentierte, als handele es sich um eine kostbare Perle.
Vielleicht ist es ein Haifischzahn, dachte Jakob, denn schließlich war die Küste nicht allzu fern. Ihn schauderte bei dem Gedanken. Vielleicht lag diese Stadt Bundaberg nicht weit genug landeinwärts, so dass sich womöglich in den Mündungsgewässern Haie tummelten. Er musste sich unbedingt erkundigen.
Er näherte sich der Szene, und Walther wandte sich ihm zu. »Ich bin ganz durcheinander«, gestand er betrübt. »Ich habe in meiner Verwirrung dummerweise Deutsch gesprochen. Der Bursche spricht ein bisschen Englisch. Ist wohl sowieso besser, wenn er mit Pastor Beitz redet.«
Beitz kam heran, verneigte sich und begann, den Häuptling mit einem merkwürdigen Singsang zu segnen.
»Englisch, Mistah«, sagte der Aborigine barsch, und Jakob verspürte ob dieser
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