Im Land der tausend Sonnen
nachmittags die Farm zu durchstreifen. Die schwarzen Mädchen schenkten ihr einen Sonnenhut aus den Blättern der Kohlpalme und einen derben Stock und rieten ihr, ihn immer bei sich zu tragen, um im Notfall die Schlangen abwehren zu können.
»Ich könnte nie eine Schlange töten«, sagte sie. »Ich hätte viel zu viel Angst.«
»Dann lauf einfach weg.« Sie lachten, aber jetzt besaß sie wenigstens einen guten Spazierstock, und sie machte sich daran, die Gegend jenseits des Sees zu erkunden, den Obstgarten und sogar die Hügelkuppe, von der man einen schönen Ausblick auf den Fluss hatte.
Und am dritten Tag tauchte er auf, früher, als sie erwartet hatte, überholte sie zu Pferde, als sie sich auf dem Heimweg dem Obstgarten näherte. Er saß ab und ging ein Stückchen mit ihr, sprach über Belangloses und fragte sie, wie ihr das Leben auf der Farm gefiele.
Hanni äußerte sich begeistert. Sie sagte, sie liebte es über alles. Die Farm sei so schön. So riesig. Sagte alles, was er hören wollte. Lukas erwähnten sie beide mit keinem Wort.
Mr Keith warb um sie, wie sie um Lukas geworben hatte. War immer zur Stelle. Lächelte ihr von ferne zu. Begegnete ihr wie zufällig auf der Wiese. Oder drüben am Anleger beim Fluss, wo sie gern stand und Ausschau nach Fischen hielt. Er wollte, dass sie den ersten Schritt tat, das wusste Hanni, doch sie stellte sich ahnungslos. Vergaß nie, dass er der Herr war und sie die Angestellte, die in seiner Gegenwart schüchtern zu sein hatte. Die jedoch augenscheinlich zu ihm aufsah, zu dem schönen, bedeutenden Mann. Und Abstand hielt.
Nach einer Weile gestalteten sich die zufälligen Begegnungen schwierig. Sie wünschte sich verzweifelt, den Blick zu heben und ihn in ihren Augen lesen lassen zu können, was nach Ansicht ihrer Mutter unverschämt deutlich wäre. Die hatte behauptet, dass so ein Verhalten sie eines Tages in Schwierigkeiten bringen würde. Das war zwar nie geschehen, aber jetzt durfte sie es ohnehin nicht mehr tun. Sie war verheiratet und sie wollte Mr Keith nicht vergraulen. Das Spielchen machte viel zu viel Spaß. Ganz offensichtlich war es der Umstand, dass sie verheiratet war, was ihn zur Zurückhaltung zwang. Doch so würde es nicht bleiben. Seit er ihr seine Aufmerksamkeit schenkte, hörte Hanni auf den Küchenklatsch über ihn. Er war eigenwillig, sagten sie. Wollte immer seinen Kopf durchsetzen. Trieb es ziemlich toll mit den Frauen, aber andererseits zögerten die hiesigen Mädchen auch nicht, sich an ihn heranzumachen.
Das interessierte Hanni, die weiterhin alles andere tat, als sich an ihn heranzumachen. Manchmal, aber nicht allzu oft, fragte sie sich, wohin das Spiel noch führen sollte, wie es zu Ende gehen würde. Merkwürdigerweise führten die Gedanken an Mr Keith dazu, dass sie noch leidenschaftlicher mit Lukas schlief. Es machte die Liebe aufregender, und ihr Mann beschwerte sich keineswegs.
Als es dann geschah, kam es überraschend. Er packte sie nicht einfach, wie Mr Mayhew es getan hatte. Er faselte nicht von ewiger Liebe und ähnlichem Unsinn. Er kam auf dem Anleger auf sie zu, reichte ihr die Hand, um ihr über eine Schlammpfütze hinwegzuhelfen, und küsste dann still ihre Hand. Das war alles.
An diesem Nachmittag ritt er mit einigen von seinen Männern fort. Er blieb eine Woche weg. Eine ganze Woche. Hanni hatte keine Ahnung, wo er war, und wagte auch nicht, danach zu fragen. Er fehlte ihr, und das ärgerte sie. Schließlich liebte sie Lukas; mit Mr Keith hatte sie nur geschäkert. Warum war sie dann so erregt? Ihr Inneres befand sich in Aufruhr. Beim Gedanken an ihn wurde ihr der Gaumen trocken. Sie wollte ihn. Ja. Begehrte ihn. Liebe? Sie wusste es nicht. Eher Lust, hätte ihre Mutter gesagt. Aber das hatte sie auch gesagt, als Hanni sich in Lukas verliebte.
Lukas wunderte sich, als er Theo aufs Lager zustapfen sah. Zuerst hielt er ihn für einen der Treiber, die gerade eine Herde Schafe gebracht hatten, doch Theo erklärte, er sei mit dem Bullocky gekommen, der ihr Lager entdeckt und eine Pause eingelegt hätte, um bei einer Tasse Tee ein wenig zu plaudern. Sie brachten eine große Warenladung für die Clonmel Station.
»Sie kaufen genug, um eine ganze Stadt ernähren zu können«, knurrte Theo.
»Hier arbeiten auch viele Leute«, erklärte Lukas. »Und es
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