Im Land der tausend Sonnen
mit dem Fuß Asche über das verlöschende Lagerfeuer und spuckte in den Staub. »Scherer? Die lassen kaum noch einen rein. Ist er gut?«
»Ich glaube schon.«
»Wie gut?« Er stapfte zu Theo herüber. »Wie viele Schafe schaffst du an einem Tag, Kumpel?«
Theo sah ihn verständnislos an. »An einem Tag? Das weiß ich nicht. Ich habe sie nie gezählt.«
»Dann schätz mal.«
»Weiß nicht. Vielleicht zehn.«
»Ach, mach, dass du wegkommst, Lukas«, höhnte der Mann. »Und nimm den Kleinen mit. Der ist nicht mal als Fußabtreter eines Scherers zu gebrauchen.«
Er stampfte zu den Viehtreibern hinüber, die bereits die Pferde sattelten, und erzählte die Geschichte unter dem brüllenden Gelächter der Männer.
Lukas seufzte. Wegen dieser Sache würde man sich erbarmungslos über ihn lustig machen, wenngleich er nicht die geringste Ahnung hatte, wie viele Schafe ein Mann an einem Tag scheren konnte. Er hasste es, ausgelacht zu werden, aber wenn nötig, würde er es immer und immer wieder über sich ergehen lassen, bis er seine Arbeit perfekt beherrschte.
Bis er selbst über neue Kollegen lachen konnte. Das war, wie er festgestellt hatte, nur eine Frage der Zeit und der Hackordnung. Die Leiter war da und wollte von ihm erstiegen werden, und genau das würde er tun.
Eines Tages würde er seine eigene Farm besitzen.
Ein schriller Pfiff von Davey brachte Theo auf die Füße.
»Du hast mich zum Narren gemacht«, fauchte er Lukas an. »Das hast du mit Absicht getan. Du hättest mir sagen können, was ich zu antworten hatte.«
»Nein, hätte ich nicht, Theo. Ich weiß es doch selbst nicht.« »Wenn ihr beiden endlich aufhört, in eurer komischen Sprache zu plappern, können wir weiter, Theo«, sagte sein Boss, der Bullocky. »Ich hätte nichts dagegen, hier bei dieser Bande im Lager zu bleiben, die lassen's sich hier gut gehen, aber wir vergeuden kostbare Zeit. Ziehen wir lieber weiter; je eher wir aufbrechen, desto eher sind wir da.«
»Wie steht's in der Stadt?«, fragte Lukas Theo hastig, als sein Freund Daveys Aufforderung Folge leistete.
»Was interessiert es dich? Hier draußen am Ende der Welt, wo du den großen Mann markierst und so tust, als würdest du was von Schafen verstehen!«
Lukas erschrak. Er lief Theo nach und hielt ihn zurück.
»Wie redest du mit mir? Bist du verrückt geworden? Wir sind Freunde, hast du das vergessen? Wir sind zusammen vom anderen Ende der Welt hierher gekommen. Falls es irgendwas gibt, womit ich dir helfen kann, dann helf ich dir, Theo, jederzeit. Brauchst du Geld? Steht es so schlimm für dich?«
»Ja«, gab Theo zu. »Tut mir Leid, Lukas, ich gehe unter. Wir können nicht da draußen in Pastor Beitz' Urwald leben. Wir haben ein halbes Haus gemietet, die einzige Wohnung, die wir in diesem lächerlichen Dorf finden konnten, aber ich komme mit der Miete nicht nach. Ich versuch's ja, aber ich schaff's nicht.«
Er war den Tränen nahe. »Es war ein schrecklicher Fehler, hierher zu kommen, das weiß ich jetzt. Ich habe eine gute Stelle als Türsteher in einem erstklassigen Hotel aufgegeben, weil ich glaubte, die Kinder würden hier besser …«
Lukas fiel ihm ins Wort. »Du darfst jetzt nicht aufgeben. Dieses Land ist in Ordnung. Nur ungewohnt, das ist alles. Ein Pfund kann ich dir leihen, aber ich habe kein Geld bei mir und komme heute Abend nicht nach Hause. Hanni bewahrt unsere Ersparnisse in einer Büchse auf. Du weißt ja, wie Frauen so sind … sehen es gern, wie das Geld sich vermehrt …«
»Woher soll ich das wissen? Eva gibt mein Geld aus, sobald sie es in die Finger bekommt.«
»Dann wende dich an Hanni, wenn ihr zur Heimstätte kommt. Sag ihr, ich hätte gesagt, sie soll dir ein Pfund leihen. Du kannst es zurückzahlen, wenn es dir besser geht.«
»Nur wenige Leute haben ein Pfund übrig«, schmollte Theo, »aber ich bin nicht in der Position, es ablehnen zu können. Ich werde Hanni fragen.«
»Gut. Aber, Theo, ich habe auch nichts zu verschenken. Das Pfund, das ich dir leihe, sollte der Zehnte für Pastor Beitz sein, aber ich denke, deine Familie braucht es nötiger.«
»Warum soll ich es
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