Im Land der weissen Rose
noch Zaunmaterial mitnehmen muss. Den
Wagen kriegen die Pferde aber nur durch den Bach, wenn wir schieben.«
»Warum baut ihr keine Brücke?«, erkundigte sich
Gwyneira. Sie hatte auf Kiward Station schon häufig neue Brücken
überquert.
Helen zuckte die Schultern. »Wahrscheinlich hat Howard kein
Geld. Und keine Leute. Man kann doch wohl allein keine Brücke
bauen.« Sie griff nach ihrer Teetasse. Ihre Hände
zitterten leicht.
»Ihr habt gar keine Leute?«, fragte Gwyneira
fassungslos. »Nicht mal Maoris? Wie macht ihr es dann mit der
Farm? Wer macht den Garten, melkt die Kühe?«
Helen schaute sie an. In ihren schönen grauen Augen stand
eine Mischung aus Stolz und Verzweiflung.
»Na, wer wohl?«
»Du?« Gwyn war alarmiert. »Das kann doch nicht
dein Ernst sein. War nicht von einem Gentleman Farmer die Rede?«
»Streich den Gentleman ... womit ich nicht sagen will, dass
Howard kein Ehrenmann ist. Er behandelt mich gut und arbeitet
hart.Aber er ist ein Farmer, nicht mehr und nicht weniger. So gesehen
hatte dein Mr. Gerald schon Recht. Howard hasst ihn übrigens
genauso wie umgekehrt. Zwischen den beiden muss mal irgendwas
passiert sein ...« Helen hätte gern das Thema gewechselt;
es behagte ihr nicht, sich abfällig über ihren Mann zu
äußern.Andererseits... wenn sie nicht wenigstens
Andeutungen machte, würde sie keine Hilfe finden!
Doch Gwyn ging nicht darauf ein. Die Fehde zwischen O’Keefe
und Warden war ihr vorerst egal. Ihr ging es um Helen.
»Hast du denn wenigstens Nachbarn, die dir mal helfen oder
die du um Rat fragen kannst? Du kannst das doch alles gar nicht!«,
kam Gwyn auf die Farmarbeit zurück.
»Ich bin ja lernfähig«, murmelte Helen. »Und
Nachbarn ... na ja, ein paar Maoris. Die Kinder kommen jeden Tag zur
Schule, sie sind sehr liebenswert. Aber ... aber sonst seid ihr die
ersten Weißen, die ich ... seit der Ankunft auf der Farm zu
Gesicht bekomme ...« Helen versuchte, sich
zusammenzureißen,kämpfte aber mit den Tränen.
Dorothy schmiegte sich tröstend an Helen. Gwyneira dagegen
schmiedete bereits Pläne, der Freundin zu helfen.
»Wie weit ist denn die Farm von hier? Kann ich dich nicht
mal besuchen kommen?«
»Fünf Meilen«, gab Helen Auskunft. »Aber
ich weiß natürlich nicht, in welche Richtung ...«
»Das sollten Sie aber lernen, Mrs. O’Keefe. Wenn Sie
die Himmelsrichtungen nicht unterscheiden können, sind Sie hier
verloren!« Mrs. Candler kam herein und brachte Teekuchen aus
dem Laden mit. Eine Frau im Ort buk sie und ließ sie dort
verkaufen. »Von hier aus gesehen ist Ihre Farm im Osten –
Ihre natürlich auch, Mrs. Warden. Allerdings nicht ganz in
gerader Linie. Von der Hauptstraße aus geht ein Weg ab. Aber
das kann ich Ihnen erklären. Und Ihr Gatte weiß es sicher
auch.«
Gwyn wollte eben andeuten, dass man besser keinen Warden nach dem
Weg zu einem O’Keefe fragte, aber da nutzte Helen auch schon
die Gelegenheit, das Thema zu wechseln.
»Wie ist er denn so, dein Lucas? Ist er wirklich der
Gentleman, als der er beschrieben wurde?«
Für einen Moment abgelenkt, schaute Gwyneira aus dem
Fenster.James war eben mit dem Aufladen des Holzes fertig geworden
und lenkte den Wagen nun vom Hof. Helen fiel auf, dass Gwyns Augen
aufleuchteten, als sie den Mann auf dem Bock betrachtete.
»Ist es der da? Der schmucke Bursche auf dem Wagen?«,
fragte Helen mit einem Lächeln.
Gwyn schien sich kaum losreißen zu können, nahm sich
dann aber zusammen. »Was? Entschuldige, ich habe nach unserer
Ladung gesehen. Der Mann auf dem Kutschbock ist Mr. McKenzie, unser
Vormann bei den Viehtreibern. Lucas ist... Lucas würde ... also,
allein die Idee, er würde ein Gespann über diese Wege hier
lenken und ohne Hilfe Holz aufladen ...«
Helen blickte verletzt. Howard würde sein Zaunmaterial
selbstverständlich allein aufladen.
Gwyn verbesserte sich sofort, als sie Helens Ausdruck bemerkte.
»Oh, Helen, es ist natürlich nicht so, als wäre das
ehrenrührig ... ich bin sicher, Mr. Gerald würde hier mit
anpacken. Doch Lucas ist eine Art Schöngeist, verstehst du? Er
schreibt, er malt und spielt Piano. Aber auf der Farm lässt er
sich fast nie blicken.«
Helen runzelte die Stirn. »Und wenn er sie mal erbt?«
Gwyneira staunte. Der Helen, die sie vor zwei Monaten kennen
gelernt
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