Im Land der weissen Rose
während
sie Igraine abwartete, und trug es dann vorsichtig hinaus. Dabei wäre
sie fast in McKenzie hineingelaufen, der sie an der Stalltür mit
einem Strauß Blätter erwartete, die er Gwyn so feierlich
überreichte wie einen Blumenstrauß.
»Tà ima«, sagte er mit einem halbherzigen
Grinsen und zwinkerte ihr zu. »Statt Weihrauch und Myrrhe.«
Gwyneira nahm das Thymiansträußchen lächelnd
entgegen. Sie wusste nicht, weshalb ihr Herz dabei so rasend klopfte.
Helen freute sich, als Howard endlich ankündigte, sie würden
am Freitag nach Haldon fahren. Das Pferd musste neu beschlagen
werden, was anscheinend jedes Mal der Anlass war, die Stadt
aufzusuchen. Wenn Helen nachrechnete, musste auch damals, als Howard
von ihrer Ankunft erfahren hatte, ein Schmiedebesuch fällig
gewesen sein.
»Wie oft muss man so ein Pferd beschlagen?«, fragte
sie vorsichtig nach.
Howard zuckte die Schultern. »Kommt drauf an, meistens alle
sechs bis zehn Wochen.Aber die Hufe des Braunen wachsen langsam, der
geht auch mal zwölf Wochen mit einem Beschlag.« Zufrieden
klopfte er sein Pferd.
Helen hätte sich eher ein Pferd mit besserem Hufwachstum
gewünscht und konnte sich eine entsprechende Bemerkung nicht
verkneifen. »Ich wäre gern öfter unter Menschen.«
»Du kannst das Maultier nehmen«, meinte er großzügig.
»Nach Haldon sind es fünf Meilen, dann bist du in zwei
Stunden da. Wenn du gleich nach dem Melken aufbrichst, kannst du
abends leicht zurück sein und noch Essen kochen.«
Auf ein warmes Essen am Abend würde Howard unter keinen
Umständen verzichten, so weit kannte Helen ihn nun
schon.Allerdings war er leicht zufrieden zu stellen: Er schlang
Fladenbrot genauso in sich hinein wie Pfannkuchen, Rührei und
Eintopf. Dass Helen kaum mehr Gerichte zubereiten konnte, schien ihn
nicht zu stören, aber Helen hatte dennoch vor, sich bei Mrs.
Candler in Haldon nach ein paar weiteren Rezepten zu erkundigen. Ihr
selbst wurde der Speiseplan langsam zu eintönig.
»Du könntest ja mal ein Huhn schlachten«, schlug
Howard vor, als Helen eine entsprechende Bemerkung machte. Sie war
entsetzt – so wie jetzt von der Vorstellung, sich allein mit
dem Maultier auf den Weg nach Haldon zu machen und dann auch noch zu
reiten.
»Jetzt siehst du dir erst mal den Weg an«, sagte
Howard gelassen.»Sonst kannst du das Muli ja auch anschirren
...«
Weder Gerald noch Lucas hatten etwas dagegen, dass Gwyneira sich
McKenzie auf der Fahrt nach Haldon anschloss. Lucas konnte allerdings
kaum nachvollziehen, was sie daran reizte.
»Du wirst enttäuscht sein, meine Liebe. Es ist ein
schmutziges kleines Städtchen, nur ein Laden und ein Pub. Keine
Kultur, nicht mal eine Kirche ...«
»Was ist denn mit einem Arzt?«, erkundigte sich
Gwyneira. »Ich meine, falls ich wirklich mal ...«
Lucas lief rot an. Gerald hingegen war begeistert.
»Ist es so weit, Gwyneira? Zeigen sich erste Anzeichen? Wenn
das so ist, werden wir selbstverständlich einen Arzt aus
Christchurch holen lassen. Mit dieser Hebamme aus Haldon werden wir
erst gar kein Risiko eingehen.«
»Vater, bevor der Arzt aus Christchurch einträfe, wäre
das Baby längst da«, bemerkte Lucas spöttisch.
Gerald blickte ihn strafend an. »Ich werde den Arzt im
Vorfeld kommen lassen. Er soll hier wohnen, bis es so weit ist, egal
was es kostet.«
»Und seine anderen Patienten?«, gab Lucas zu bedenken.
»Meinst du, die lässt er einfach im Stich?«
Gerald schnaubte. »Das ist eine Frage der Summe, mein Sohn.
Und der Erbe der Wardens ist jede Summe wert!«
Gwyneira hielt sich heraus. Sie hätte die Anzeichen einer
Schwangerschaft gar nicht erkannt – woher sollte sie wissen,
wie man sich dabei fühlte? Außerdem freute sie sich jetzt
erst einmal auf den Ausflug nach Haldon.
James McKenzie holte sie gleich nach dem Frühstück ab.
Er hatte zwei Pferde vor einen langen, schweren Wagen gespannt. »Wenn
Sie reiten würden, wären Sie schneller«, gab er zu
bedenken, doch es machte Gwyneira nichts aus, an McKenzies Seite auf
dem Bock zu sitzen und die Landschaft zu genießen. Wenn sie den
Weg erst kannte, konnte sie öfter nach Haldon reiten; heute aber
war sie mit der Fahrt auf dem Wagen zufrieden.Außerdem war
McKenzie ein anregender Gesprächspartner. Er nannte ihr die
Namen der Berge am Horizont und der
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