Im Land der weissen Rose
hatte, wäre eine solche Frage nie in den Sinn gekommen.
»Ich glaube, Mr. Gerald hofft da auf einen anderen Erben
...«, seufzte sie.
Mrs. Candler betrachtete Gwyn prüfend. »Bisher sieht
man aber noch nichts«, sagte sie lachend. »Aber Sie sind
ja auch gerade erst ein paar Wochen verheiratet. Ein bisschen Zeit
muss er Ihnen schon geben. Ein schönes Brautpaar waren die
beiden!«
Damit begann sie eine längere Schwärmerei über
Gwyneiras Hochzeitsfeier. Helen hörte schweigend zu, dabei hätte
Gwyn sie so gern über ihre eigene Hochzeit befragt. Überhaupt
gab es sehr viel, über das sie dringend mit der Freundin
sprechen musste. Wenn möglich jedoch unter vier Augen. Mrs.
Candler war nett, aber sie war sicher auch der Dreh- und Angelpunkt
des Dorfklatsches.
Immerhin zeigte sie sich mehr als geneigt, den beiden jungen
Frauen mit Rezepten und anderen Ratschlägen zur Haushaltsführung
weiterzuhelfen: »Sie können ohne Sauerteig kein Brot
backen«, sagte Mrs. Candler zu Helen. »Hier, ich gebe
Ihnen welchen mit. Und da habe ich ein Reinigungsmittel für Ihr
Kleid. Den Saum müssen Sie einweichen, der ist sonst verdorben.
Und Sie, Mrs. Warden, brauchen Formen für Muffins, sonst wird
das nichts mit Mr. Geralds original englischem Teegebäck...«
Helen erwarb sogar eine Maori-Bibel. Mrs. Candler hatte ein paar
Exemplare vorrätig; die Missionare hatten die Bibeln einst
bestellt, doch die Maoris hatten wenig Interesse gezeigt.
»Die meisten können ja nicht lesen«, sagte Mrs.
Candler. »Außerdem haben sie ihre eigenen Götter.«
Während Howard auflud, fanden Gwyn und Helen noch ein paar
Minuten Zeit für ein Gespräch unter sich.
»Ich finde, dein Mr. O’Keefe sieht gut aus«,
bemerkte Gwyn. Sie hatte vom Laden aus beobachtet, wie er mit Helen
sprach. Dieser Mann entsprach entschieden mehr ihrem Bild von einem
tatkräftigen Pionier als der vornehme Lucas. »Gefällt
dir die Ehe?«
Helen lief rot an. »Ich glaube nicht, dass es einem gefallen
muss.Aber es ist... erträglich.Ach,Gwyn, jetzt werden wir uns
wieder monatelang nicht sehen. Wer weiß, ob du am gleichen Tag
nach Haldon kommst wie ich und ...«
»Kannst du denn nicht allein herkommen?«, fragte Gwyn.
»Ohne Howard? Für mich ist das nicht schwierig. Mit
Igraine bin ich in weniger als zwei Stunden hier.«
Helen seufzte und erzählte von dem Maultier. »Wenn ich
das reiten könnte ...«
Gwyneira strahlte. »Natürlich kannst du es reiten! Ich
bring’s dir bei! Ich besuche dich, Helen, sobald ich kann. Den
Weg werde ich schon finden!«
Helen wollte ihr sagen, dass Howard keine Wardens im Haus haben
wollte, hielt sich dann aber zurück. Wenn Howard und Gwyn
wirklich zusammenstießen, musste sie sich etwas einfallen
lassen.Aber er hatte zumeist den ganzen Tag mit den Schafen zu tun
und ritt oft weit in die Berge, um versprengte Tiere zu suchen und
sich um die Zäune zu kümmern. Meist kam er vor dem
Dunkelwerden nicht nach Hause.
»Ich warte auf dich!«, sagte Helen hoffnungsvoll.
Die Freundinnen küssten sich auf beide Wangen, dann lief
Helen hinaus.
»Tja, die Frauen der kleinen Farmer haben kein leichtes
Leben«, meinte Mrs. Candler bedauernd. »Hart-Arbeit und
viele Kinder. Mrs. O’Keefe hat Glück, dass ihr Gatte schon
älter ist.Acht oder neun Sprösslinge wird er ihr wohl nicht
mehr machen. Sie ist ja auch nicht mehr die Allerjüngste. Ich
hoffe nur, es geht alles gut.Auf diese einsamen Farmen kommt doch nie
eine Hebamme...«
James McKenzie erschien kurze Zeit später, um Gwyneira
abzuholen. Vergnügt lud er ihre Einkäufe in den Wagen und
half ihr auf den Bock.
»Hatten Sie einen schönen Tag, Miss Gwyn? Mr. Candler
sagte, Sie hätten eine Freundin wiedergetroffen.«
Zu Gwyns Freude kannte McKenzie den Weg zu Helens Farm. Er pfiff
allerdings durch die Zähne, als sie danach fragte.
»Sie wollen zu O’Keefe? In die Höhle des Löwen?
Erzählen Sie das bloß nicht Mr. Gerald. Er erschießt
mich, wenn er erfährt, dass ich Ihnen den Weg verraten habe!«
»Den hätte ich auch anderswo erfragen können«,
meinte Gwyn gelassen. »Aber was ist denn bloß zwischen
den beiden? Für Mr. Gerald ist Mr. Howard der Teufel
schlechthin, und umgekehrt scheint es ähnlich zu sein.«
James lachte. »Genaueres weiß man
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