Im Land der weissen Rose
Neuseeland umgebracht werden,
Mylord. Es sei denn, Sie greifen auf zweibeinige Räuber mit
Feuerwaffen zurück.«
»Vermutlich auch auf solche mit Macheten, Dolchen und
Krummschwertern, was?«, fragte Riddleworth lachend. »Also,
mir ist es ein Rätsel, wie jemand sich freiwillig in eine solche
Wildnis begeben kann! Ich war froh, als ich die Kolonien verlassen
konnte.«
»Unsere Maoris sind meist friedlich«, meinte Warden
gelassen. »Ein seltsames Volk... fatalistisch und leicht
zufrieden zu stellen. Sie singen, tanzen, schnitzen Holz und kennen
kein nennenswertes Waffenhandwerk. Nein, Mylord, ich bin sicher, auf
Neuseeland hätten Sie sich eher gelangweilt als gefürchtet
...«
Riddleworth wollte eben aufbrausend erklären, dass er während
seines Aufenthalts in Indien selbstverständlich keinen Tropfen
Angstschweiß verloren hatte.Aber dann wurden die Herren durch
Gwyneiras Eintreffen unterbrochen. Das Mädchen betrat den Salon
– und schaute verwirrt, als es Mutter und Schwester nicht unter
den Anwesenden entdeckte.
»Bin ich zu früh?«, fragte Gwyneira, statt ihren
Schwager zunächst angemessen zu begrüßen.
Der guckte denn auch entsprechend beleidigt, während Gerald
Warden kaum den Blick von Gwyneiras Erscheinung wenden konnte. Das
Mädchen war ihm vorhin schon hübsch erschienen, aber jetzt,
in dem festlichen Staat, erkannte er sie als wahre Schönheit.
Die blaue Seide betonte ihren hellen Teint und ihr kräftiges
rotes Haar. Die strengere Frisur betonte den edlen Schnitt ihres
Gesichts. Und dazu diese verwegenen Lippen und die leuchtend blauen
Augen mit ihrem wachen, fast herausfordernd wirkenden Ausdruck!
Gerald war hingerissen.
Aber dieses Mädchen passte nicht hierher. Er konnte sie sich
unmöglich an der Seite eines Mannes wie Jeffrey Riddleworth
vorstellen. Gwyneira war eher der Typ, der sich Schlangen um den Hals
legte und Tiger zähmte.
»Nein, nein, du bist pünktlich, Kind«, meinte
Lord Terence mit einem Blick auf die Uhr. »Deine Mutter und
deine Schwester verspäten sich. Wahrscheinlich waren sie wieder
zu lange im Garten ...«
»Waren Sie denn nicht im Garten?«, wandte Gerald
Warden sich an Gwyneira. Eigentlich hätte er eher sie im Freien
vermutet als ihre Mutter, die er vorhin als etwas steif und
gelangweilt kennen gelernt hatte.
Gwyneira zuckte die Schultern. »Ich mache mir nicht viel aus
Rosen«, bekannte sie, obwohl sie damit nochmals Jeffreys
Unwillen und sicher auch den ihres Vaters erregte. »Wenn es
Gemüse wäre, oder sonst etwas, das nicht sticht ...«
Gerald Warden lachte, wobei er die säuerlichen Mienen
Silkhams und Riddleworth’ ignorierte.Der Schaf-Baron fand das
Mädchen entzückend. Sie war natürlich nicht die Erste,
die er auf dieser Reise in die alte Heimat einer unauffälligen
Musterung unterzog, aber bislang hatte sich keine der jungen
englischen Ladys so natürlich und ungezwungen gegeben.
»Na, na, Mylady!«, neckte er sie. »Konfrontieren
Sie mich da wirklich mit den Schattenseiten der Englischen Rosen?
Sollte sich hinter milchweißer Haut und rotgoldenem Haar
Stacheligkeit verbergen?«
Der Ausdruck »Englische Rose« für den auf den
britischen Inseln verbreiteten, hellhäutigen und rothaarigen
Mädchentyp war auch auf Neuseeland bekannt.
Gwyneira hätte eigentlich erröten müssen, lächelte
aber nur. »Es ist auf jeden Fall sicherer, Handschuhe zu
tragen«, bemerkte sie und sah aus dem Augenwinkel, wie ihre
Mutter nach Luft schnappte.
Lady Silkham und ihre älteste Tochter, Lady Riddleworth,
waren eben eingetreten und hatten Wardens und Gwyneiras kurzen
Wortwechsel gehört. Beide wussten offensichtlich nicht, was sie
mehr schockieren sollte: Wardens Unverschämtheit oder Gwyneiras
schlagfertige Antwort.
»Mr. Warden, meine Tochter Diana, Lady Riddleworth.«
Lady Silkham beschloss schließlich, die Angelegenheit einfach
zu übergehen. Der Mann besaß zwar keinen
gesellschaftlichen Schliff, doch er hatte ihrem Gatten eben die
Zahlung eines kleinen Vermögens für eine Schafherde und
einen Wurf junger Hunde zugesagt. Das würde Gwyneiras Mitgift
sichern – und Lady Silkham freie Hand geben, das Mädchen
schleunigst unter die Haube zu bringen, bevor die Kunde über ihr
freches Mundwerk sich womöglich herumsprach.
Diana begrüßte den Besucher aus Übersee
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