Im Land der weissen Rose
würdevoll.
Sie war Gerald Warden als Tischdame zugewiesen, was dieser schnell
bedauerte. Das Essen mit den Riddleworths verlief mehr als
langweilig. Während Gerald kurze Stichworte gab und so tat, als
lausche er Dianas Ausführungen über Rosenzucht und
Gartenausstellungen, beobachtete er weiterhin Gwyneira. Abgesehen von
ihrem losen Mundwerk war ihr Benehmen untadelig. Sie wusste, wie man
sich in Gesellschaft verhielt und plauderte artig, wenn auch
offensichtlich gelangweilt mit ihrem Tischherrn Jeffrey. Brav
antwortete sie auf die Fragen ihrer Schwester, die ihre Fortschritte
in französischer Konversation und das Befinden der werten Madame
Fabian betrafen. Letztere bedauerte zutiefst, dem heutigen Abendessen
aus Krankheitsgründen fernbleiben zu müssen. Sie hätte
sonst zu gern mit ihrer früheren Lieblingsschülerin Diana
geplaudert.
Erst als das Dessert serviert war, kam Lord Riddleworth auf seine
Frage von vorhin zurück. Offensichtlich ging das Tischgespräch
inzwischen selbst ihm auf die Nerven. Diana und ihre Mutter waren
mittlerweile dazu übergegangen, sich über gemeinsame
Bekannte auszutauschen, die sie durchweg »reizend« fanden
und deren »wohlgeratene« Söhne sie offensichtlich
für eine Verbindung mit Gwyneira in Betracht zogen.
»Sie haben immer noch nicht erzählt, wie es Sie einst
nach Ãœbersee verschlagen hat, Mr. Warden. Sind Sie im Auftrag
der Krone gegangen? Womöglich im Gefolge des fabelhaften Captain
Hobson?«
Gerald Warden schüttelte lächelnd den Kopf und ließ
zu, dass der Diener sein Weinglas noch einmal füllte. Er hatte
dem hervorragenden Tropfen bisher nur zurückhaltend
zugesprochen. Später würde es noch ausreichend von Lord
Silkhams hervorragendem Scotch geben, und wenn er auch nur den
Schatten einer Chance haben wollte, seine Pläne zu
verwirklichen, brauchte er einen klaren Kopf. Ein leeres Glas würde
allerdings Aufmerksamkeit erregen.Also nickte er dem Diener zu, griff
zunächst aber nach seinem Wasserglas.
»Ich bin wohl zwanzig Jahre vor Hobson gesegelt«, gab
er dann zur Antwort. »Zu einer Zeit, als es auf den Inseln noch
rauer zuging. Besonders in den Walfangstationen und bei den
Robbenjägern ...«
»Aber Sie sind doch Schafzüchter!«, warf Gwyneira
eifrig ein. Endlich ein interessantes Thema! »Sie haben nicht
wirklich Wale gejagt?«
Gerald lachte grimmig. »Und ob ich auf Walfang war, Mylady.
Drei Jahre lang auf der Molly Malone ...«
Mehr wollte er darüber wohl nicht erzählen, aber jetzt
runzelte Lord Silkham die Stirn.
»Ach, kommen Sie, Warden, Sie verstehen zu viel von Schafen,
als dass ich Ihnen die Räubergeschichten abkaufe! Das haben Sie
doch nicht auf einem Walfänger gelernt!«
»Natürlich nicht«, antwortete Gerald gelassen.
Die Schmeichelei prallte völlig von ihm ab. »Tatsächlich
stamme ich aus den Yorkshire Dales, und mein Vater war Schäfer...«
»Aber Sie haben das Abenteuer gesucht!« Das war
Gwyneira. Ihre Augen blitzten vor Aufregung. »Sie sind bei
Nacht und Nebel aufgebrochen und haben das Land verlassen, und ...«
Wieder war Gerald Warden belustigt und begeistert zugleich. Dieses
Mädchen war eindeutig die Richtige, auch wenn es verwöhnt
war und völlig falsche Vorstellungen hegte.
»Ich war vor allem das zehnte von elf Kindern«,
stellte er richtig. »Und ich mochte nicht mein Leben damit
verbringen, anderer Leute Schafe zu hüten. Mein Vater wollte
mich mit dreizehn in Lohn geben. Aber ich heuerte stattdessen als
Schiffsjunge an. Hab die halbe Welt gesehen. Die Küsten
Afrikas,Amerika, das Kap ... bis ins Nordmeer sind wir gesegelt. Und
schließlich nach Neuseeland. Und das gefiel mir am besten.
Keine Tiger, keine Schlangen ...« Er zwinkerte Lord Riddleworth
zu. »Das Land noch weitgehend unerschlossen und ein Klima wie
in meiner Heimat. Letztlich sucht man wohl doch seine Wurzeln.«
»Und dann haben Sie Wale und Robben gejagt?«, fragte
Gwyneira nochmals ungläubig. »Nicht gleich mit Schafen
angefangen?«
»Schafe bekommt man nicht umsonst, kleine Lady«, sagte
Gerald Warden lächelnd. »Wie ich heute wieder einmal
erfahren durfte. Um die Herde Ihres Vaters zu erwerben, müsste
man mehr als einen Wal ausschlachten! Und das Land war zwar billig,
aber ganz umsonst gaben die Maori-Häuptlinge es auch nicht
her...«
»Maoris sind die
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