Im Land der weissen Rose
Eingeborenen?«, fragte Gwyneira
begierig.
Gerald Warden nickte. »Das heißt so viel wie
›Moa-Jäger‹. Die Moas waren riesige Vögel,
aber die Jäger waren offenbar zu eifrig.Auf jeden Fall sind die
Biester ausgestorben. Wir Einwanderer nennen uns übrigens
›Kiwis‹. Der Kiwi ist auch ein Vogel. Ein neugieriges,
aufdringliches und höchst lebendiges Tier. Man kann dem Kiwi
nicht entkommen.Auf Neuseeland ist er überall.Aber fragen Sie
mich jetzt nicht, wer auf die Idee gekommen ist, uns ausgerechnet
nach dem Kiwi zu benennen.«
Ein Teil der Tischgesellschaft lachte, allen voran Lord Silkham
und Gwyneira. Lady Silkham und die Riddleworths waren wohl eher
indigniert, dass sie hier mit einem ehemaligen Hütejungen und
Walfänger tafelten, auch wenn er es inzwischen zu einem
Schaf-Baron gebracht hatte.
Lady Silkham hob denn auch bald die Tafel auf und zog sich mit
ihren Töchtern in den Salon zurück, wobei Gwyneira sich nur
widerwillig von der Herrenrunde trennte. Endlich hatte sich das
Gespräch einmal um interessantere Themen gedreht als die immer
gleiche Gesellschaft und Dianas unsäglich langweilige Rosen.
Jetzt sehnte sie sich danach, sich in ihre Räume zurückziehen
zu dürfen, wo In den Händen der Rothaut, halb gelesen auf
sie wartete. Die Indianer hatten die Heldin, die Tochter eines
Kavallerieoffiziers, gerade entführt. Vor Gwyneira lagen jedoch
noch mindestens zwei Tassen Tee in Gesellschaft ihrer weiblichen
Verwandtschaft. Seufzend ergab sie sich in ihr Schicksal.
Im Herrenzimmer bot Lord Terence inzwischen Zigarren an. Gerald
Warden überzeugte auch dabei durch Kennerschaft, indem er die
beste kubanische Sorte auswählte. Lord Riddleworth griff eher
wahllos in die Schachtel. Dann verbrachten sie eine endlos lange
halbe Stunde damit, die letzten Entscheidungen der Königin in
Bezug auf die britische Landwirtschaft zu diskutieren. Sowohl Silkham
als auch Riddleworth hielten es für bedauernswert, dass die
Queen deutlich auf Industrialisierung und Außenhandel setzte,
statt die traditionelle Wirtschaft zu stärken. Gerald Warden
äußerte sich nur vage dazu. Erstens hatte er wenig
Ahnung,und zweitens war es ihm ziemlich egal. Der Neuseeländer
lebte erst wieder auf, als Riddleworth einen bedauernden Blick auf
das Schachspiel warf, das aufgebaut auf einem Beistelltischchen
wartete.
»Schade, dass wir heute nicht zu unserer Partie kommen, aber
wir wollen unseren Gast natürlich nicht langweilen«,
bemerkte der Lord.
Gerald Warden verstand die Untertöne. Wäre er ein
wirklicher Gentleman, so versuchte Riddleworth ihm zu vermitteln,
würde er sich jetzt unter vorgeschobenen Gründen in seine
Räume zurückziehen. Doch Gerald war kein Gentleman. Diese
Rolle hatte er jetzt zur Genüge gespielt; so langsam musste er
zur Sache kommen.
»Warum wagen wir stattdessen nicht ein kleines
Kartenspiel?«, schlug er mit unschuldigem Lächeln vor.
»Man spielt doch sicher auch Black Jack in den Salons der
Kolonien, nicht wahr, Riddleworth? Oder bevorzugen Sie ein anderes
Spiel? Poker?«
Riddleworth sah ihn entsetzt an. »Ich bitte Sie! Black Jack
... Poker ... So etwas mag man in den Spelunken der Hafenstädte
spielen, aber doch nicht unter Gentlemen.«
»Also, ich spiele gern mal eine Partie«, erklärte
Silkham. Dabei schien er nicht nur aus Höflichkeit Wardens
Partei zu ergreifen; er blickte tatsächlich begehrlich auf den
Kartentisch. »Während meiner Militärzeit habe ich es
oft gespielt, aber hier findet sich ja kaum eine gesellige Runde, in
der nicht nur über Schafe und Pferde gefachsimpelt wird.Auf,
Jeffrey! Du kannst als Erster geben. Und sei nur nicht geizig. Ich
weiß, du hast ein reiches Salär. Wollen doch mal sehen, ob
ich mir heute etwas von Dianas Mitgift zurückholen kann!«
Der Lord sprach ziemlich unverblümt.Er hatte während des
Essens dem Wein gut zugesprochen und anschließend den ersten
Scotch rasch herunter geschüttet. Nun wies er die anderen Männer
eifrig an, Platz zu nehmen. Gerald Warden setzte sich zufrieden,
Riddleworth noch immer zögernd. Widerwillig griff er nach den
Karten und mischte eher ungeschickt.
Gerald stellte sein Glas beiseite. Er musste jetzt hellwach sein.
Erfreut bemerkte er, dass der leicht angetrunkene Lord Terence gleich
mit recht hohem Einsatz eröffnete. Gerald ließ ihn
bereitwillig gewinnen. Eine
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