Im Land der weissen Rose
Zeit, bevor wir Nabelschnur durchtrennen ...«
Gwyneira schüttelte wild den Kopf. »Nein, trenn sie
durch, Rongo. Und bring ihn weg. Ich will ihn nicht halten. Ich will
schlafen ... muss mich ausruhen ...«
»Aber das Sie können gleich. Schauen Baby erst mal an.
Hier, ist nicht süß?« Rongo hatte das Baby geschickt
gesäubert und legte es auf Gwyns Brust.Es machte erste
Saugbewegungen. Gwyneira schob es von sich. Gut, es war gesund, es
war vollkommen mit seinen winzigen Fingern und Zehen, aber sie mochte
es trotzdem nicht.
»Bring es weg, Rongo!«, verlangte sie bestimmt.
Rongo verstand nicht. »Aber wohin ich soll es denn bringen,
Miss Gwyn? Es Sie brauchen. Es brauchen seine Mutter!«
Gwyn zuckte die Achseln. »Bring es zu Mr. Gerald. Der wollte
einen Erben, jetzt hat er ihn. Soll er sehen, wie er damit fertig
wird. Nur mich lass in Ruhe! Wird’s bald, Rongo? Oh, Gott,
nein, es fängt wieder an ...« Gwyneira stöhnte. »Es
kann doch nicht noch mal drei Stunden dauern, bis die Nachgeburt
kommt ...«
»Ist jetzt müde, Miss Gwyn. Ist normal«,
begütigte Kiri, als die aufgeregte Rongo mit dem Baby in die
Küche kam. Kiri und Moana waren mit dem Aufräumen nach dem
Abendbrot beschäftigt, das Gerald allein eingenommen hatte. Die
kleine Marama schlummerte in einem Körbchen.
»Das nicht ist normal!«, widersprach Rongo. »Matahorua
hat tausend Kinder geholt, aber keine Mutter so reagieren wie Miss
Gwyn.«
»Ach, jede Mutter anders...«, behauptete Kiri und
dachte an den Morgen, als sie Gwyn mit zerrissenen Kleidern auf dem
Boden ihrer Räume gefunden hatte. Vieles sprach dafür, dass
das Kind in dieser Nacht gezeugt worden war. Gwyn mochte Gründe
haben, es nicht zu lieben.
»Und was ich jetzt mache damit?«, fragte Rongo
zögernd. »Ich nicht kann es bringen zu Mr. Gerald. Der
kann nicht Kinder haben um sich.«
Kiri lachte. »Baby braucht auch Milch, keinen Whiskey. Damit
anfangen noch früh genug. Nein, nein, Rongo, lass einfach hier.«
Gelassen knöpfte sie das schmucke Dienstbotenkleid auf,
entblößte ihre prallen Brüste und nahm Rongo das Kind
aus demArm. »Das hier besser.«
Das Neugeborene begann sofort, gierig zu saugen. Kiri wiegte es
sanft. Als es schließlich an ihrer Brust einschlief, legte sie
es zu Marama in ihr Körbchen.
»Sag Miss Gwyn, es gut versorgt.«
Gwyneira wollte es gar nicht wissen. Sie schlief bereits und
erkundigte sich auch am nächsten Morgen nicht nach dem Kind.
Ãœberhaupt zeigte sie erst eine Regung, als Witi einen
Blumenstrauß brachte und auf die daran hängende Karte
wies.
»Von Mr. Gerald.«
Ãœber Gwyneiras Gesicht zog ein Ausdruck von Abscheu und Hass,
aber auch Neugierde. Sie riss die Karte ab.
Ich danke dir für Paul Gerald Terence.
Gwyneira schrie auf, schleuderte die Blumen quer durchs Zimmer und
riss die Karte in Fetzen.
»Witi!«, befahl sie dem erschrockenen Hausdiener.
»Oder besser Rongo, dir werden die Worte nicht fehlen! Geh
sofort zu Mr. Gerald, und sag ihm, das Kind wird nur Paul Terence
heißen, oder ich erwürge es in der Wiege!«
Witi verstand nicht, doch Rongo blickte entsetzt.
»Ich sagen ihm«, versprach sie leise.
Drei Tage später wurde der Erbe der Wardens auf den Namen
Paul Terence Lucas getauft. Seine Mutter blieb der Feier fern; sie
war unpässlich. Doch ihre Dienstboten wussten es besser.
Gwyneira hatte dem Kind bislang keinen Blick geschenkt.
Â
7
»Wann stellst du mir Paul denn endlich mal vor?«,
fragte Helen ungeduldig. Gleich nach der Geburt hatte Gwyneira
natürlich nicht reiten können, und auch jetzt, vier Wochen
später, war sie mit Fleur in der Kutsche gekommen. Dies
allerdings schon zum dritten Mal, sie erholte sich zusehends von den
Anstrengungen. Helen fragte sich nur, warum sie das Baby nicht
mitbrachte. Nach Fleurs Geburt hatte Gwyn es gar nicht erwarten
können, der Freundin ihre kleine Tochter vorzuführen. Ihren
Sohn dagegen erwähnte sie kaum. Und auch als Helen sich jetzt
konkret nach ihm erkundigte, machte Gwyn nur eine wegwerfende
Handbewegung.
»Ach, demnächst. Es ist mühsam, ihn
mitzuschleppen, und er schreit die ganze Zeit, wenn man ihn von Kiri
und Marama wegholt. Da fühlt er sich wohl, also was soll’s?«
»Aber ich würde ihn gern einmal sehen«, beharrte
Helen. »Was ist los mit dir, Gwyn? Stimmt etwas
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