Im Land der weissen Rose
viel für mich. Ich kann dich nicht jeden Tag
sehen, aber keinen Anspruch auf dich erheben. Ich versuche das jetzt
seit fünf Jahren, Gwyn, aber immer, wenn mein Blick auf dich
fällt, will ich dich berühren, dich küssen, mitdir
zusammen sein. Stattdessen heißt es ›Miss Gwyn‹
und ›Mr. James‹, du bist höflich und distanziert –
obwohl dir das Verlangen genauso anzusehen ist wie mir. Das bringt
mich um,Gwyn. Ich hätte es ertragen,solange auch du es ertragen
hättest.Aber jetzt... das ist zu viel, Gwyn. Das mit dem Kind
ist zu viel. Sag mir wenigstens, von wem es ist!«
Gwyn schüttelte wieder den Kopf. Es zerriss sie innerlich,
aber sie brachte die Wahrheit nicht über die Lippen. »Es
tut mir Leid, James. Ich kann nicht. Wenn du deshalb gehen musst,
dann geh.«
Sie unterdrückte ein Schluchzen.
James legte dem Pferd ein Zaumzeug an und wollte es ins Freie
führen. Wie immer gesellte Daimon sich zu ihm. James
streichelteden Hund.
»Wirst du ihn mitnehmen?«, fragte Gwyn mit erstickter
Stimme.
James verneinte. »Er gehört mir nicht. Ich kann nicht
einfach den besten Zuchtrüden von Kiward Station mitgehen
lassen.«
»Aber er wird dich vermissen ...« Gwyneira beobachtete
mit blutendem Herzen, wie er den Hund anband.
»Auch ich werde vieles vermissen, aber wir alle werden
lernen, damit zu leben.«
Der Hund bellte protestierend, als James Anstalten machte, den
Stall zu verlassen.
»Ich schenke ihn dir.« Gwyneira wünschte auf
einmal, dass James wenigstens ein Andenken an sie haben sollte.An sie
und Fleur.An die Tage im Hochland.An die Hundeschau auf ihrer
Hochzeit.An all die Dinge, die sie gemeinsam getan hatten, die
Gedanken, die sie geteilt hatten ...
»Du kannst ihn nicht verschenken, er gehört dir nicht«,
sagte James leise. »Mr. Gerald hat ihn in Wales gekauft, weißt
du das nicht mehr?«
Und ob Gwyn es noch wusste. Und ob sie sich an Wales erinnerte und
die höflichen Worte, die sie damals mit Gerald gewechselt hatte.
Damals hatte sie ihn für einen Gentleman gehalten, etwas
exotisch vielleicht, doch ehrbar. Und wie gut sie sich an die ersten
Tage mit James erinnerte, als sie ihm die Tricks zum Trainieren
junger Hunde beigebracht hatte. Er hatte sie ernst genommen, obwohl
sie ein Mädchen war ...
Gwyneira blickte sich um. Cleos Welpen waren jetzt reif zum
Absetzen, aber nach wie vor liefen sie meist ihrer Mutter nach und
wuselten deshalb auch jetzt um Gwyneira herum. Sie bückte sich
und hob den größten und schönsten Welpen hoch. Eine
junge Hündin, fast schwarz, mit Cleos typischem Collie-Lächeln.
»Aber die hier kann ich verschenken. Die gehört mir.
Nimm sie an,James. Bitte nimm sie!« Spontan drückte sie
James den Welpen in die Hand. Die Hündin machte sofort
Anstalten, ihm das Gesicht zu lecken.
James lächelte und blinzelte verschämt, damit Gwyn die
Tränen in seinen Augen nicht sah. »Sie heißt Friday,
nicht wahr? Freitag, Robinsons Gefährte in der Einsamkeit ...«
Gwyn nickte. »Du musst nicht einsam sein ...«, sagte
sie leise.
James streichelte den Hund. »Jetzt nicht mehr. Vielen Dank,
Miss Gwyn.«
»James ...« Sie trat näher an ihn heran und hob
das Gesicht zu ihm. »James, ich wünschte, es wäre
dein Kind.«
James küsste sie leicht auf den Mund, so sanft und ruhig, wie
sonst nur Lucas geküsst hatte.
»Ich wünsche dir Glück, Gwyn. Ich wünsche dir
Glück.«
Gwyneira weinte haltlos, als James gegangen war. Sie blickte ihm
von ihrem Fenster aus nach, sah ihn über die Felder davonreiten,
den kleinen Hund vor sich auf dem Sattel. Er wandte sich dem Hochland
zu. Oder würde er über ihre Abkürzung nach Haldon
reiten? Für Gwyn war es egal, sie hatte ihn verloren. Sie hatte
beide Männer verloren.Außer Fleur blieben ihr nur Gerald
und dieses verfluchte, unerwünschte Kind.
Gerald Warden brachte die Schwangerschaft seiner Schwiegertochter
nicht zur Sprache, nicht einmal, als sie so offensichtlich wurde,
dass jeder sie auf den ersten Blick erkannte. Deshalb wurde auch die
Frage der Geburtshilfe nicht besprochen. Diesmal wurde keine Hebamme
ins Haus geholt, kein Arzt konsultiert, um den Verlauf der
Schwangerschaft zu kontrollieren. Gwyneira selbst versuchte, ihren
Zustand so weit wie möglich zu ignorieren. Sie ritt bis in die
letzten Wochen hinein auch die feurigsten
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