Im Land der weissen Rose
aus Sydney von
ihm erhalten.
»Ich glaube, er hat sich verliebt«, sagte sie mit
verschmitztem Lächeln.
Gwyneira freute sich ehrlich für das junge Paar, auch wenn
sie sich lebhaft vorstellen konnte, was da noch auf Mrs. Candler
zukam. Das Gerücht: »Leon Candler heiratet
Sträflingsmädchen aus Botany Bay« dürfte die
eherdürftige Sensation »Lucas Warden stellt in London
Kunst aus« rasch verdrängen.
»Schicken Sie Dorothy wegen des Brautkleids ruhig zu mir«,
verabschiedete sie sich schließlich freundlich. »Ich hab
ihr einmal versprochen, ihr meines zu borgen, wenn es so weit ist.«
Hoffentlich wird sie wenigstens damit glücklich, dachte Gwyn,
als sie Kiri und ihren Anhang zurück zur Kutsche lotste.
Das hier war jedenfalls ein Erfolg gewesen.
Und jetzt Gerald ...
»Wir werden ein Fest geben!«, erklärte Gwyneira,
kaum dass sie den Salon betreten hatte. Entschlossen nahm sie Gerald
die Whiskeyflasche aus der Hand und verschloss sie in der dafür
vorgesehenen Vitrine.
»Wir werden es jetzt gleich planen, und dazu brauchst du
einen klaren Kopf.«
Gerald schien bereits ein wenig benebelt. Zumindest wirkten seine
Augen glasig, aber immerhin konnte er Gwyn noch folgen.
»Wa... was gibt’s denn zu feiern?«, erkundigte
er sich mit schwerer Zunge.
Gwyneira blitzte ihn an. »Die Geburt deines ›Enkels!‹«,
sagte sie. »Man nennt so was ein freudiges Ereignis, wenn du
beliebst, dich zu erinnern! Und ganz Haldon wartet darauf, dass du es
entsprechend würdigst.«
»Sch... schönes Fest... Wenn die Mu... Mutter schmollt
und der Va... Vater sich sonst wo rumtreibt ...«, höhnte
Gerald.
»An Lucas’ und meiner mangelnden Begeisterung bist du
wohl nicht ganz unschuldig!«, schleuderte Gwyneira ihm
entgegen. »Aber wie du siehst, schmolle ich nicht. Ich werde da
sein, ich werde lächeln – und du wirst einen Brief von
Lucas verlesen, der zu unserem Bedauern nach wie vor in England
weilt. Es brennt, Gerald! In Haldon reden sie über uns. Es gibt
Gerüchte, dass Paul ... nun, dass er kein Warden sei ...«
Das Fest fand drei Wochen später im Garten von Kiward Station
statt. Wieder floss der Champagner in Strömen. Gerald gab sich
leutselig und ließ Salut schießen. Gwyneira lächelte
anhaltend und verriet den versammelten Gästen, dass Paul nach
seinen beiden Urgroßvätern benannt sei.Außerdem wies
sie fast sämtliche Mitglieder der Gemeinde auf die
offensichtliche Ähnlichkeit mit Gerald hin. Paul selbst
schlummerte selig in den Armen seiner Kinderfrau. Gwyn hütete
sich wohlweislich, ihn selbst zu präsentieren. Nach wie vor
schrie er wie am Spieß, wenn sie ihn herumtrug, und nach wie
vor reagierte sie mit Ärger und Ungeduld darauf. Sie sah ein,
dass sie dieses Kind in der Familie willkommen heißen und seine
Stellung festigen musste – doch tiefere Gefühle konnte sie
nicht für den Jungen empfinden. Paul blieb ihr fremd, und
schlimmer noch – jeder Blick in sein Gesicht erinnerte sie an
Geralds Fratze der Lust in dieser unseligen Nacht seiner Zeugung.Als
das Fest endlich überstanden war, flüchtete Gwyneira sich
in den Stall und weinte hemmungslos in Igraines weiche Mähne,
wie sie es schon als Kind getan hatte, wenn etwas hoffnungslos
erschien. Gwyneira wünschte sich nur noch, das alles wäre
nie passiert. Sie sehnte sich nach James, sogar nach Lucas.Nach wie
vor hatte sie nichts von ihrem Mann gehört, und auch Geralds
Nachforschungen blieben erfolglos. Das Land war einfach zu groß.
Wer verschollen bleiben wollte, blieb verschollen.
Â
8
»Schlag endlich zu, Luke! Einmal, mit Schwung, hinten auf
die Rübe. Da merkt der gar nichts von!« Noch während
Roger sprach, erledigte er einen weiteren Heuler – nach allen
Regeln des Gewerbes der Seehundjagd: Das Tier starb, ohne dass sein
Fell beschädigt wurde. Die Jäger töteten mit einem
Knüppel, den sie dem Seehund an den Hinterkopf schlugen. Wenn
überhaupt Blut floss, so aus der Nase der jungen Robbe. Danach
machten sie sich gleich ans Abhäuten, ohne sich vorher die Mühe
zu machen, den Tod des Tieres sicher festzustellen.
Lucas Warden hob den Knüppel, aber er konnte sich einfach
nicht dazu überwinden, ihn auf das Tierchen niedersausen zu
lassen, das ihn mit riesigen Kinderaugen vertrauensvoll anblickte.
Mal ganz abgesehen
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