Im Land der weissen Rose
ausgerottet. Man musste weit aufs Meer fahren, um sie zu finden
und war oft wochen-, wenn nicht jahrelang unterwegs. Darüber
aber machte Lucas sich die wenigsten Gedanken. Die Männergesellschaft
schien ihm sogar verlockend, wenn er nur nicht wieder außerhalb
stünde wie auf Kiward Station als Sohn des Chefs. Er würde
schon zurechtkommen – nein, er würde Respekt und
Anerkennung gewinnen! Lucas war fest entschlossen, und Copper schien
ihn auch nicht abzulehnen. Im Gegenteil, er betrachtete ihn fast mit
Interesse, schlug ihm auf die Schulter, tätschelte mit den
Pranken eines erfahrenen Schiffszimmermanns und Whalers seinen Arm.
Lucas schämte sich etwas für seine gepflegten Hände,
die wenigen Schwielen und die immer noch relativ sauberen
Fingernägel.Auf Kiward Station hatten die Männer ihn
mitunter damit aufgezogen, dass er sie regelmäßig
reinigte, doch Copper machte keine Bemerkung darüber.
Schließlich war Lucas seinem neuen Freund aufs Schiff
gefolgt, hatte sich dem Skipper vorstellen lassen und einen Kontrakt
unterzeichnet, der ihn für drei Jahre an die Pretty Peg band,
ein bauchiges, nicht allzu großes Segelschiff, das ebenso
unverwüstlich schien wie sein Eigner. Der Skipper Robert Milford
war eher klein, aber ein einziges Muskelpaket. Copper sprach mit
großem Respekt von ihm und pries seine Fähigkeiten als
Chef-Harpunier. Milford begrüßte Lucas mit kräftigem
Händedruck, nannte ihm seinen Lohn – der ihm erschreckend
niedrig erschien – und wies Copper an, ihm eine Koje
zuzuweisen. Die Pretty Peg stand kurz vor dem Auslaufen. Lucas hatte
nur noch zwei Tage, um sein Pferd zu verkaufen, seine Sachen an Bord
des Fangschiffs zu bringen und die schmutzige Pritsche neben Copper
zu beziehen. Das aber war ihm nur recht. Falls Gerald nach ihm suchen
ließe, würde er längst auf See sein, ehe die
Nachricht das abgelegene Greymouth erreichte.
Doch der Aufenthalt an Bord ernüchterte ihn schnell. Schon in
der ersten Nacht ließen ihn die Flöhe unter Deck nicht
schlafen; dazu kämpfte er mit der Seekrankheit. Lucas konnte
noch so sehr versuchen, sich zusammenzunehmen – wenn das Schiff
in den Wellen schlingerte,rebellierte sein Magen. Im dunklen
Innenraum war das schlimmer als auf Deck, weshalb er schließlich
sogar versuchte, die Nächte draußen zu verbringen. Die
Kälte und Nässe – bei schwerer See wurde das Deck
überspült – trieben ihn aber schnell zurück in
die Unterkünfte. Wieder einmal lachten die Männer über
ihn, aber diesmal machte es ihm nicht soviel aus, weil Copper
offensichtlich auf seiner Seite stand.
»Ist halt ein feines Herrchen, unser Luke!«, bemerkte
er gutmütig. »Muss sich erst gewöhnen.Aber wartet,
bis er mit Tran getauft ist. Der wird richtig, glaubt mir!«
Copper besaß Ansehen bei der Crew. Er war nicht nur ein
fähiger Schiffszimmermann, sondern galt auch als erstklassiger
Jäger.
Seine Freundschaft tat Lucas gut, und auch die verstohlenen
Berührungen, die Copper mitunter zu suchen schien, waren nicht
unangenehm. Vielleicht hätte Lucas sie sogar genossen, wären
die hygienischen Bedingungen auf der Pretty Peg nicht derart
abschreckend gewesen. Es gab nur wenig Trinkwasser, und niemand
dachte daran, es zum Waschen zu verschwenden. Die Männer
rasierten sich auch kaum, und Wäsche zum Wechseln besaßen
sie nicht. Nach wenigen Nächten stanken die Walfänger und
ihre Unterkünfte schlimmer als die Schafställe auf Kiward
Station. Lucas selbst versuchte, sich mit Meerwasser notdürftig
zu reinigen, aber das war schwierig und führte wieder zu
Heiterkeitsausbrüchen der restlichen Mannschaft. Lucas fühlte
sich schmutzig, sein Körper war mit Flohstichen übersät,
und er schämte sich für diesen Zustand. Dabei war das gar
nicht nötig: Die anderen Männer schienen ihre gegenseitige
Gesellschaft zugenießen und den Gestanki hrer ungewaschenen
Körper kaum wahrzunehmen. Lucas war der Einzige, der sich daran
störte.
Da sich wenig zu tun fand – das Schiff hätte mit einer
viel kleineren Mannschaft segeln können;Arbeit für alle gab
es erst, wenn die Jagd begann –, verbrachten sie viel Zeit im
geselligen Miteinander. Sie erzählten Geschichten, wobei sie
hemmungslos aufschnitten, sangen zotige Lieder und vertrieben sich
die Zeit mit Kartenspielen. Lucas
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