Im Land der weissen Rose
Angestellte so komisch daran findet«,
endete sie ein wenig verärgert.
Die Frau lachte. »Daran ist gar nichts komisch, nur ist
Laurie nicht an Hotelgäste gewöhnt. Schau, Kleines, ich
weiß nicht, wo du herkommst, aber ich tippe auf Christchurch
oder Dunedin, wo reiche Leute in feinen Hotels absteigen. Bei uns
hier liegt die Betonung eher auf ›Absteige‹, wenn du
verstehst, was ich meine. Die Leute mieten die Zimmer für ein
oder zwei Stunden, und die Begleitung dazu liefern wir.«
Fleurette wurde glühend rot. Sie war unter Huren geraten! Das
hier war ein ... nein, sie mochte das Wort gar nicht denken.
Daphne beobachtete sie lächelnd und hielt sie fest, als sie
nach draußen stürmen wollte. »Nun warte doch mal,
Kleine! Wo willst du denn hin? Du brauchst keine Angst zu haben, hier
wird dich niemand vergewaltigen.«
Fleur hielt inne. Wahrscheinlich war es wirklich albern zu
fliehen. Daphne sah nicht Furcht erregend aus – und das Mädchen
von eben schon gar nicht.
»Wo kann ich denn schlafen? Gibt es hier auch eine ... eine
...«
»Ehrenwerte Pension?«, fragte Daphne. »Leider
nein. Die Männer, die hier durchkommen, schlafen im Mietstall
bei ihren Pferden.Oder sie reiten gleich in eins der Goldgräberlager.
Da findet sich immer ein Schlafplatz für einen Neuen.«
Fleur nickte. »Gut. Dann ... dann mache ich das jetzt auch.
Vielleicht finde ich dort ja meinen Verlobten.« Tapfer nahm sie
ihre Tasche auf und wollte erneut hinausgehen.
Daphne schüttelte den Kopf. »Das geht auf keinen Fall,
Mädchen! Ein Kind wie du, allein unter hundert, zweihundert
Kerlen, ausgehungert bis zum Geht nicht mehr – die verdienen
doch höchstens so viel, dass sie sich hier alle halbe Jahre mal
ein Mädchen gönnen können! Das sind keine Gentlemen,
kleine Miss. Und dein ›Verlobter‹– wie heißt
der Knabe? Vielleicht kenne ich ihn.«
Fleurette errötete erneut, diesmal vor Empörung. »Ruben
würde nie ... er würde nie ...«
Daphne lachte. »Da wäre er aber ein seltenes
Ausnahmeexemplar seiner Gattung! Glaub mir, Kind, am Ende landen alle
hier. Es sei denn, sie sind schwul.Aber das wollen wir in deinem Fall
mal nicht annehmen.«
Fleur konnte mit dem Wort nicht viel anfangen, war sich aber
dennoch sicher, dass Ruben dieses Etablissement nie betreten hatte.
Trotzdem nannte sie Daphne seinen Namen. Die überlegte lange und
schüttelte schließlich den Kopf.
»Nie gehört. Und ich hab ein gutes Gedächtnis für
Namen. Sieht also aus, als hätte dein Liebster hier noch kein
Vermögen gemacht.«
Fleur nickte. »Wenn er ein Vermögen gemacht hätte,
hätte er mich ja auch schon geholt!«, sagte sie im
Brustton der Überzeugung. »Aber jetzt muss ich los, es
wird ja gleich dunkel. Wo sagten Sie, sind diese Lager?«
Daphne seufzte. »Da kann ich dich nicht hinschicken,
Mädchen, beim besten Willen nicht, und vor allem nicht bei
Nacht. Du kämst garantiert nicht intakt wieder raus.Also wird
mir wohl nichts anderes übrig bleiben, als direin Zimmer zu
vermieten. Die ganze Nacht.«
»Aber ich... ich möchte nicht ...« Fleur wusste
nicht, wie sie aus der Angelegenheit wieder herauskommen
sollte.Andererseits schien sich kaum eine Alternative zu bieten.
»Kindchen, die Zimmer haben Türen, und die Türen
haben Schlösser. Du kannst Zimmer eins haben. Das gehört
sonst den Zwillingen, und die haben selten Kunden. Komm mit, ich
zeig’s dir. Den Hund ...«, sie wies auf Gracie, die vor
Fleur lag und sie mit dem altbekannten Collie-Blick anbetend ansah,
»kannst du mitnehmen. Ist wahrscheinlich sauberer als die
meisten Kerle. Du brauchst keine Angst zu haben«, fügte
sie hinzu, als Fleurette zögerte. Dann stieg sie die Treppe
hinauf.
Fleurette folgte nervös, doch im zweiten Stock ähnelte
Daphne’s Hotel zu ihrer Erleichterung eher dem White Hart in
Christchurch als einem Sündenpfuhl. Eine weitere blonde Frau –
die der von unten verblüffend ähnlich sah – wienerte
den Flur. Sie grüßte verwundert, als Daphne ihren Gast
vorbeiführte.
Daphne blieb stehen und lächelte ihr zu. »Dies ist
Miss... Wie heißt du überhaupt?«, erkundigte sie
sich. »Ich muss mir unbedingt ordentliche Anmeldeformulare
anschaffen, wenn ich die Zimmer demnächst mehrstündig
vermieten will!«
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