Im Land der weissen Rose
dicken Mann, der eben
eingetreten war und nun wartend an der Ladentheke lehnte.
Der Dicke zuckte die Achseln. »Was hat er denn für ’n
Maultier?«
Fleurette erinnerte sich, dass Daphne den Besitzer des Mietstalls
Ron genannt hatte, und schöpfte wieder Hoffnung.
»Er hat ein Pferd, Mister! Eine kleine Stute, sehr kompakt,
so ähnlich wie meine hier ...« Sie wies durch die offene
Tür auf Niniane, die immer noch vor dem Hotel wartete. »Nur
kleiner, und ein Rotschimmel. Sie heißt Minette.«
Dan nickte bedächtig. »Schickes Pferd!«, erklärte
er dann, wobei er offen ließ, ob er Niniane oder Minette
meinte. Fleurette konnte vor Ungeduld kaum still stehen.
»Hört sich nach dem kleinen Rube Kays an. Der mit Stue
Peters zusammen diesen komischen Claim hat, oben am Shotover River.
Stue kennste doch. Das ist der...«
»Der Kerl, der sich immer beschwert, dass mein Werkzeug
nichts taugt! Ja, an den erinnere ich mich. Und an den anderen auch,
aber der sagt nich’ viel. Stimmt, die haben so ’n Pferd.«
Er wandte sich Fleur zu. »Da kannste heute aber nich’
mehr hinreiten, Lady. Das sind bestimmt zwei Stunden in die Berge.«
»Und ob der sich freut, dich zu sehen ...?«, unkte
Ron. »Ich will janix sagen, aber wenn sich ’n Kerl so ’ne
Mühe macht, dass er seinen Namen ändert und in den letzten
Winkel von Otago abhaut, um von dir wegzukommen ...«
Fleurette wurde glühend rot, war aber zu glücklich über
ihre Entdeckung, um sich zu ärgern.
»Er freut sich bestimmt, mich zu sehen«, versicherte
sie. »Aber heute ist es wirklich zu spät. Kann ich mein
Pferd bei Ihnen unterstellen, Mister ... Mister Ron?«
Fleur verbrachte eine erstaunlich ungestörte Nacht in ihrem
Zimmer bei Daphne. Zwar drang von unten Klavierspiel zu ihr hinauf,
und im Pub wurde wohl auch getanzt – außerdem herrschte
bis etwa Mitternacht ein lebhaftes Kommen und Gehen auf dem Flur –,
aber sie selbst blieb völlig unbehelligtund schlief irgendwann
beruhigt ein.Am Morgen war sie früh wach und wunderte sich nicht
sehr darüber, dass außer ihr noch niemand auf den Beinen
zu sein schien. Zu ihrer Ãœberraschung erwartete sie unten eins
der blonden Mädchen.
»Ich soll Ihnen Frühstück machen, Miss Fleur«,
sagte sie artig. »Daphne meint, Sie hätten einen langen
Ritt vor sich, den Shotover hinauf, um Ihren Verlobten zu treffen.
Laurie und ich finden das sehr romantisch!«
Dann war das also Mary. Fleur bedankte sich für den Kaffee,
das Brot und die Eier und fühlte sich nicht gestört, als
Mary sich zutraulich zu ihr setzte – nachdem sie auch Gracie
ein Schälchen mit Fleischresten serviert hatte. »Süßer
Hund, Miss. Ich hab auch mal so einen gekannt.Aber is’ lange
her...« Marys Gesicht wirkte beinahe verträumt. Die junge
Frau sah ganz und gar nicht so aus, wie Fleur sich eine Hure
vorgestellt hätte.
»Früher dachten wir immer, wir fänden auch mal
einen netten Jungen«, plauderte Mary weiterund streichelte
Gracie. »Aber das Dumme ist, dass ein Mann nicht zwei Mädchen
heiraten kann. Und trennen wollen wir uns nicht. Wir müssten
Zwillinge finden.«
Fleurette lachte. »Ich dachte, in Ihrem Gewerbe heiratet man
nicht«, wiederholte sie Daphnes Bemerkung von gestern.
Mary schaute sie aus runden blauen Augen sehr ernst an. »Das
ist aber nicht unser Gewerbe, Miss. Wir sind anständige Mädchen,
das weiß jeder. Na ja, wir tanzen ein bisschen.Aber wir tun
nichts Unkeusches. Also, nichts richtig Unkeusches. Nichts mit
Männern.«
Fleurette wunderte sich. Konnte sich ein so kleines Etablissement
wie Daphnes wirklich zwei Küchenmädchen leisten?
»Wir putzen auch bei Mister Ethan und beim Friseur, Mr. Fox,
damit wir was dazuverdienen.Aber immer ehrbar, da passt Daphne schon
auf. Wenn uns einer anrührt, macht sie Ärger. Gewaltigen
Ärger!« Marys Kinderaugen schauten verklärt. Sie
schien tatsächlich ein bisschen zurückgeblieben. Ob Daphne
sich deshalb der Mädchen annahm? Aber jetzt musste sie wirklich
gehen.
Mary winkte ab, als sie das Zimmer bezahlen wollte. »Das
regeln Sie mal mit Daphne, Miss, wenn Sie mal wieder reinschauen. Sie
können auch heute Abend gern wiederkommen, soll ich Ihnen
ausrichten. Falls das nichts wird mit ... mit Ihrem Freund ...«
Fleurette nickte
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