Im Land der weissen Rose
Hufe auf Gras setzte. So schnell das Pferd laufen
konnte, ritt sie nach Süden.
Niemand würde sie mehr einholen.
Â
7
Queenstown, Otago, lag in einer natürlichen Bucht am Ufer des
Lake Waikatipu, umschlossen von gewaltigen, schroffen Bergen. Die
Natur des Umlands war überwältigend, der See riesig und
stahlblau, die Farnwälder und Weiden weitläufig und
leuchtend grün, die Bergwelt majestätisch und rau und
sicher noch völlig unerforscht. Lediglich die Stadt selbst war
winzig. In Vergleich zu der Hand voll einstöckiger Häuser,
die hier offenbar rasch erbaut worden waren, wirkte selbst Haldon wie
eine Großstadt. Das einzige hervorstechende Gebäude war
ein zweistöckiger Holzbau mit der Aufschrift »Daphne’s
Hotel«.
Fleurette bemühte sich, nicht enttäuscht zu sein, als
sie über die staubige Main Street ritt. Sie hatte eine größere
Ansiedlung erwartet, schließlich galt Queenstown zurzeit als
Zentrum des Goldrausches in Otago. Andererseits konnte man kaum auf
der Hauptstraße Gold waschen. Wahrscheinlich lebten die Miner
auf ihren Claims, irgendwo im Busch um die Stadt herum. Und wenn der
Ort übersichtlich war, musste es umso leichter sein, Ruben
ausfindig zu machen. Tapfer hielt Fleur auf das Hotel zu und band
Niniane davor an. Eigentlich hätte sie erwartet, dass ein Hotel
über eigene Stallungen verfügte, aber dieses Haus sah schon
beim Eintreten anders aus als das Hotel in Christchurch, in dem sie
manchmal mit der Familie abgestiegen war.Anstelle einer Rezeption gab
es hier einen Schankraum. Offensichtlich verband man den Betrieb
eines Hotels mit dem eines Pub.
»Wir haben noch geschlossen!«, rief eine Mädchenstimme
hinter der Theke, als Fleur näher trat. Sie erblickte eine junge
blonde Frau, die dort eifrig hantierte.Als sie Fleur erkannte,
blickte sie verwundert auf.
»Sind Sie ... ein neues Mädchen?«, fragte sie
verblüfft. »Ich dachte, die kämen mit der Kutsche.
Nicht vor nächster Woche ...« Die junge Frau hatte sanfte
blaue Augen und sehr helle, zarte Haut.
Fleurette lächelte ihr zu.
»Ich brauche ein Zimmer«, sagte sie, ein wenig
verunsichert ob des seltsamen Empfangs. »Das hier ist doch ein
Hotel?«
Die junge Frau musterte Fleur verblüfft. »Sie wollen
... jetzt? Allein?«
Fleurette wurde rot. Natürlich, es war ungewöhnlich,
dass ein Mädchen ihres Alters allein reiste.
»Ja, ich bin gerade angekommen. Ich will meinen Verlobten
treffen.«
Das Mädchen schien erleichtert. »Dann kommt der...
Verlobte also gleich.« Sie sprach das Wort »Verlobter«
aus, als ob Fleur es nicht ganz ernst meinte.
Fleur fragte sich, ob ihrAuftritt so merkwürdig war. Oder war
das Mädchen nicht ganz richtig im Kopf?
»Nein, mein Verlobter weiß nicht, dass ich komme. Und
ich weiß auch nicht genau, wo er ist. Deshalb brauche ich ja
ein Zimmer.Ich will wenigstens wissen, wo ichheute Nacht schlafen
werde. Und ich kann das Zimmer bezahlen, ich habe Geld ...«
Das stimmte. Fleurette trug nicht nur das bisschen Geld ihrer
Mutter bei sich – auch das Säckchen, das McKenzie ihr im
letzten Moment zugeworfen hatte und das sich als Geldbörse
erwies. Der Beutel enthielt ein kleines Vermögen in Golddollars
– offenbar alles, was ihr Vater in den letzten Jahren mit
seinen Viehdiebstählen »verdient« hatte. Fleur
wusste nur nicht, ob sie es für ihn aufheben oder für sich
selbst behalten sollte.Aber damit konnte sie sich später
beschäftigen. Ihre Hotelrechnung jedenfalls würde kein
Problem sein.
»Sie wollen also die ganze Nacht bleiben?«, fragte das
offenbar geistesgestörte Mädchen. »Ich hol Ihnen mal
Daphne!« Offensichtlich erleichtert über diesen Einfall
verschwand die Blonde in der Küche.
Ein paar Minuten später erschien eine etwas ältere Frau.
Ihr Gesicht zeigte bereits erste Falten und Spuren von zu langen
Nächten und zu viel Whiskey.Aber ihre Augen waren leuchtend grün
und wach, und ihr üppiges rotes Haar war keck aufgesteckt.
»Sieh an, ein Rotschopf!«, sagte sie lachend, als sie
Fleur erblickte. »Und goldene Augen, ein seltenes
Schätzchen!Also, wenn du bei mir anfangen wolltest, dich würd
ich sofort nehmen.Aber Laurie meinte, du wolltest nur ein Zimmer ...«
Fleurette erzählte ihre Geschichte noch einmal. »Ich
weiß gar nicht, was Ihre
Weitere Kostenlose Bücher