Im Land der weissen Rose
nun
kommen Sie herein und nehmen Sie eine Erfrischung, Officer. Sie
müssen nach dem langen Ritt sehr durstig sein.«
Friday lag hechelnd im Schatten. Noch immer war sie an der Leine,
und Gwyn wusste, dass sie ein Risiko einging, als sie sich jetzt zu
ihr herunterbeugte und den Strick löste.
»Komm mit, Friday!«, sagte sie sanft.
Die Hündin folgte ihr.
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11
Ein Jahr nach James McKenzies Verurteilung kehrten George und
Elizabeth Greenwood aus England zurück, und Helen und Gwyneira
erhielten endlich Nachricht von ihren Kindern. Elizabeth nahm Fleurs
Bitte um Diskretion sehr ernst und fuhr selbst mit ihrer kleinen
Chaise nach Haldon, um die Briefe zu überbringen. Nicht einmal
ihren Mann hatte sie eingeweiht, als sie sich mit Helen und Gwyn auf
der Farm der O’Keefes traf. Beide bestürmten sie natürlich
mit Fragen nach der Reise, die der jungen Frau offensichtlich gut
getan hatte. Elizabeth wirkte entspannter und in sich ruhend.
»London war wunderbar!«, sagte sie mit verklärtem
Blick. »Georges Mutter, Mrs. Greenwood, ist ein bisschen ...
nun ja, gewöhnungsbedürftig.Aber erkannt hat sie mich
nicht, sie fand mich sehr wohlerzogen!« Elizabeth strahlte wie
das kleine Mädchen von damals und sah Helen Beifall heischend
an. »Und Mr. Greenwood ist reizend und sehr nett zu den
Kindern. Georges Bruder mochte ich allerdings nicht. Und dann die
Frau, die er geheiratet hat! Sie ist richtig ordinär!«
Elizabeth rümpfte selbstgefällig ihr Näschen und legte
sorgfältig ihre Serviette zusammen. Gwyneira bemerkte, dass sie
es immer noch mit haargenau den gleichen Gesten tat, die Helen den
Mädchen damals eingebimst hatte. »Aber nun, da ich die
Briefe fand, tut es mir Leid, dass wir die Reise so lange ausgedehnt
haben«, entschuldigte sich Elizabeth. »Sie müssen
sich die größten Sorgen gemacht haben, Miss Helen –
und Miss Gwyn.Aber wie es aussieht, sind Fleur und Ruben wohlauf.«
Helen und Gwyneira waren tatsächlich erleichtert, und nicht
nur wegen der Nachrichten von Fleur, sondern auch über deren
ausführliche Erzählungen von Daphne und den Zwillingen.
»Daphne muss die kleinen Mädchen irgendwo in Lyttelton
aufgetrieben haben«, las Gwyn aus einem der Briefe Fleurs
vor.»Anscheinend lebten sie auf der Straße und hielten
sich durch Diebereien über Wasser. Daphne hat sich der Mädchen
angenommen und sich rührend um sie gekümmert. Miss Helen
kann stolz auf sie sein, obwohl sie natürlich ... das Wort muss
man eigentlich buchstabieren ... eine H-u-r-e ist.« Gwyneira
lachte. »Also hast du deine Schäfchen alle wiedergefunden,
Helen.Aber was machen wir nun mit den Briefen? Verbrennen? Das würde
mir sehr Leid tun, aber Gerald oder Paul dürfen sie auf keinen
Fall finden, und Howard doch wohl auch nicht!«
»Ich hab ein Versteck«, sagte Helen verschwörerisch
und ging zu einem ihrer Küchenschränke.In der Rückwand
befand sich ein loses Brett, hinter dem manunauffällig
Kleinigkeiten deponieren konnte. Helen bewahrte hier auch etwas
erspartes Geld und ein paar Andenken aus Rubens Kinderzeit auf.
Verlegen zeigte sie den anderen Frauen eine seiner Zeichnungen und
eine Locke.
»Wie süß!«, erklärte Elizabeth und
gestand den älteren Frauen, dass sie eine Locke von George in
einem Medaillon bei sich trug.
Gwyneira hätte sie fast um diesen greifbaren Beweis ihrer
Liebe beneidet, aber dann warf sie einen Blick auf die kleine Hündin,
die vor dem Kamin lag und sie anbetend ansah. Nichts konnte sie enger
mit James verbinden als Friday.
Ein weiteres Jahr später kamen Gerald und Paul verärgert
von einer Viehzüchterversammlung aus Christchurch zurück.
»Der Gouverneur weiß nicht, was er tut!«,
schimpfte Gerald und schenkte sich einen Whiskey ein. Nach kurzer
Überlegung füllte er auch ein kleines Glas für den
vierzehnjährigen Paul. »Verbannung auf Lebenszeit! Wer
will das kontrollieren? Wenn es ihm drüben nicht gefällt,
ist er mit dem nächsten Schiff wieder da!«
»Wer ist wieder da?«, erkundigte Gwyneira sich mäßig
interessiert. Das Essen wurde gleich serviert, und sie gesellte sich
mit einem Glas Portwein zu den Männern – schon um Gerald
im Auge zu behalten. Es gefiel ihr gar nicht, dass er Paul jetzt
schon zum Trinken einlud. DerJunge würde das noch früh
genug
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