Im Land der weissen Rose
mit sich führte. Der Hund wehrte sich heftig; er
machte immer nur dann ein paar Schritte, wenn er Gefahr lief,
stranguliert zu werden. Danach stemmte er wieder alle viere in den
Boden.
Gwyn runzelte die Stirn. War einer ihrer Hofhunde ausgebrochen?
Eigentlich passierte das nie. Und wenn, war doch sichernicht gleich
der Polizeichef zuständig. Rasch verabschiedete sie die beiden
Maori-Viehhüter und sandte sie mit den Schafen ins Hochland.
»Ich sehe euch im Herbst!«, sagte sie zu den beiden,
die den Sommer bei den Tieren in einer der Weidehütten
verbringen sollten. »Achtet vor allem darauf, dass mein Sohn
euch hier nicht vor dem Herbst sieht!« Es war illusorisch
anzunehmen, dass die Maoris den ganzen Sommer auf den Weiden
verbringen würden, ohne zwischendurch ihre Frauen zu
besuchen.Aber vielleicht zogen die Frauen ja zu ihnen hinauf. Das
konnte man nie wissen; die Stämme waren beweglich. Gwyneira
wusste nur, dass Paul sowohl die eine als auch die andere Lösung
missbilligen würde.
Jetzt aber ging sie zuerst einmal zum Haus, um den erhitzten
Police Officer zu begrüßen, der ihr bereits entgegenkam.
Er wusste, wo die Ställe lagen, und wollte offenbar sein Pferd
unterstellen. Also schien er es nicht eilig zu haben. Gwyn seufzte.
Eigentlich hatte sie anderes zu tun, als den Tag mit Hanson zu
verplaudern.Andererseits würde er sicher in allen Einzelheiten
von James berichten.
Als Gwynbei den Pferdeställen ankam, war Hanson eben dabei,
den Hund loszubinden, dessen Leine er wohl am Sattel befestigt hatte.
Das Tier war zweifellos ein Collie, doch in erbarmungswürdigem
Zustand. Sein Fell war stumpf und verklebt,und er war so mager, dass
man trotz des langen Haars die Rippen erkennen konnte.Als der Sheriff
sich zu ihm herunterbeugte, fletschte das Tier die Zähne und
knurrte. Ein so unfreundliches Gesicht war selten bei einem Border.
Gwyneira erkannte die Hündin trotzdem sofort.
»Friday!«, sagte sie zärtlich. »Lassen Sie
mich, Sheriff, vielleicht erinnert sie sich. Sie war schließlich
mein Hund, bis sie fünf Monate alt war.«
Hanson schien skeptisch, ob die Hündin sich wirklich an die
Frau erinnerte, von der sie ihre ersten Lektionen im Schaftrieb
bekommen hatte, doch Friday reagierte auf Gwyneiras sanfte Stimme.
Zumindest wehrte sie sich nicht, als Gwyn sie streichelte und ihre
Leine vom Sattelgurt des Pferdes löste.
»Wo haben Sie sie her? Das ist doch ...«
Hanson nickte. »Das ist McKenzies Hündin, ja. Kam vor
zwei Tagen in Lyttelton an, völlig erschöpft. Sie sehen ja,
wie sie aussieht. McKenzie hat sie vom Fenster aus gesehen und einen
Aufstand entfesselt. Aber was sollte ich machen, ich kann sie janicht
ins Gefängnis lassen! Wo kämen wir da hin? Wenn der eine
’nen Hund halten darf, will der Nächste ’ne
Miezekatze,und wenn die Katze den Kanarienvogel von ’nem
dritten Kerl frisst, kommt’s zum Gefängnisaufstand.«
»Na, so schlimm wird’s schon nicht sein.« Gwyn
lächelte. Zumeist verbrachten die Häftlinge in Lyttelton
gar nicht genug Zeit in Haft, um sich ein Haustier zuzulegen. Meist
kamen sie zum Ausnüchtern und waren nach einem Tag wieder
draußen.
»Jedenfalls geht so was nicht!«, sagte der Sheriff
streng. »Ich hab das Tier dann mit nach Hause genommen, aber es
wollte nicht bleiben. Kaum ging die Tür auf, rannte es wieder
zum Gefängnis. In der zweiten Nacht ist McKenzie dann
ausgebrochen. Diesmal hat er wirklich ein Schloss geknackt und beim
Metzger prompt Fleisch für den Köter gestohlen. War zum
Glück nicht schlimm. Der Metzger hat hinterher behauptet, es sei
ein Geschenk gewesen, also gibt’s kein weiteres Verfahren ...
und McKenzie hatten wir am nächsten Tag auch gleich wieder.Aber
so geht das natürlich nicht weiter. Der Mann bringt sich für
den Köter um Kopf und Kragen. Na ja, da hab ich halt gedacht ...
weil Sie den Hund gezüchtet haben und Ihr alter Hund doch gerade
gestorben ist ...«
Gwyneira schluckte.Auch jetzt noch konnte sie nicht an Cleo
denken, ohne dass ihre Augen feucht wurden. Sie hatte auch noch
keinen neuen Hund ausgewählt. Die Wunde war zu frisch.Aber hier
war Friday. Und sie glich ihrer Mutter aufs Haar.
»Da haben Sie richtig gedacht!«, sagte sie ruhig.
»Friday kann hier bleiben. Sagen Sie Mr. McKenzie, dass ich auf
sie aufpasse. Solange, bis er uns... äh, sie abholt.Aber
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