Im Land der weissen Rose
Neuseeland nur als Gedankenspiel
gesehen. Ganz reizvoll, aber völlig unmöglich! Allein der
Gedanke, sich mit einem Mann auf der anderen Seite der Erde zu
verbinden – einem Mann, den zu beschreiben sein eigener Vater
nicht mehr als zwanzig Worte fand –, erschien ihr abwegig.
Jetzt aber dachte sie ernsthaft an Kiward Station. Eine Farm, auf der
sie die Herrin sein würde, eine Pionierfrau wie in den
Groschenheftchen! Bestimmt übertrieb Warden mit der Schilderung
seiner Salons und der Pracht seines Herrenhauses. Schließlich
wollte er bei ihren Eltern einen guten Eindruck machen.
Wahrscheinlich war der Farmbetrieb noch im Aufbau. Es musste so sein,
sonst brauchte Warden ja keine Schafe zu kaufen! Gwyneira würde
Hand in Hand mit ihrem Gatten arbeiten. Sie konnte beim Eintreiben
der Schafe helfen und einen Garten anlegen, in dem richtiges Gemüse
wuchs statt langweiliger Rosen. Sie sah sich schon schwitzend hinter
einem Pflug gehen, den ein starker Cob-Hengst über gerade erst
urbar gemachtes Land zog.
Und Lucas ... nun, der war zumindest jung und angeblich gut
aussehend. Viel mehr konnte sie kaum verlangen.Auch bei einer
Verheiratung in England hätte Liebe schließlich kaum eine
Rolle gespielt.
»Was hältst du von Neuseeland?«, fragte sie ihre
Hündin und kitzelte deren Bauch. Cleo sah sie verzückt an
und schenkte ihr ein Collie-Lächeln.
Gwyneira lächelte zurück.
»Na, also! Einstimmig angenommen!«, kicherte sie. »Das
heißt... Igraine müssen wir noch fragen.Aber wetten, dass
sie Ja sagt, wenn ich ihr von dem Hengst erzähle?«
Die Auswahl von Gwyneiras Aussteuer gestaltete sich zu einem
langen, zähen Ringen zwischen dem Mädchen und Lady Silkham.
Nachdem die Lady sich von ihren zahlreichen Ohnmachtsanfällen
nach Gwyneiras Entscheidung erholt hatte, machte sie sich mit dem
üblichen Eifer an die Vorbereitung der Hochzeit. Wobei sie
natürlich endlos und wortreich bedauerte, dass dieses Ereignis
diesmal nicht auf Silkham Manor stattfinden konnte, sondern irgendwo
»in der Wildnis«. Immerhin trafen Gerald Wardens lebhafte
Beschreibungen seines Herrenhauses in den Canterbury Plains bei ihr
auf deutlich mehr Beifall als bei ihrer Tochter.Außerdem trug
es zu ihrer Erleichterung bei, dass Gerald an allen Fragen der
Aussteuer lebhaft Anteil nahm.
»Selbstverständlich braucht Ihre Tochter ein prächtiges
Hochzeitskleid!«, erklärte er zum Beispiel, nachdem
Gwyneira den Traum aus weißen Rüschen und meterlanger
Schleppe gerade mit den Worten abgelehnt hatte, sie würde sicher
zur Trauung reiten müssen, und da störe dieser Staat doch
nur.
»Wir werden die Feier entweder in der Kirche in Christchurch
zelebrieren, oder, was mir persönlich lieber wäre, im
Rahmen einer häuslichen Zeremonie auf meiner Farm. In ersterem
Fall wäre die Trauung als solche natürlich festlicher, für
den anschließenden Empfang aber würden angemessene Räume
und geschultes Personal nur schwer anzumieten sein. Insofern hoffe
ich, Reverend Baldwin zu einem Besuch auf Kiward Station überreden
zu können. Da kann ich die Gäste in einem stilvolleren
Rahmen bewirten. Illustre Gäste, versteht sich. Der
Generalleutnant wird zugegen sein, führende Vertreter der Krone,
der Kaufmannschaft... die gesamte bessere Gesellschaft von
Canterbury. Gwyneiras Kleid kann deshalb gar nicht kostbar genug
sein. Du wirst wunderschön aussehen, mein Kind!«
Gerald klopfte Gwyneira leicht auf die Schulter und verzog sich
dann, um mit Lord Silkham die Verschickung der Pferde und Schafe zu
besprechen. Die beiden Männer hatten sich gleichermaßen
zufrieden darauf geeinigt, das verhängnisvolle Kartenspiel nie
wieder zu erwähnen. Lord Silkham sandte die Schafherde und die
Hunde als Gwyneiras Mitgift nach Übersee, während Lady
Silkham die Verlobung mit Lucas Warden als äußerst
passende Verbindung mit einer der ältesten Familien Neuseelands
darstellte. Und das stimmte tatsächlich: Die Eltern von Lucas’
Mutter hatten zu den allerersten Siedlern auf der Südinsel
gehört. Falls in den Salons trotzdem darüber getuschelt
wurde, kam es der Lady und ihren Töchtern zumindest nicht zu
Ohren.
Gwyneira wäre es auch egal gewesen. Die schleppte sich
ohnehin nur lustlos zu den vielen Teegesellschaften, in denen ihre
angeblichen »Freundinnen« ihre Auswanderung doppelzüngig
als
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