Im Land der weissen Rose
Augen. »Diese
ganze Brautwerbung zielt nur darauf, meinem Vater den preisgekrönten
Hütehund abzuluchsen. Nun verstehe ich.Aber ich werde Ihren
Antrag dennoch wohlwollend prüfen. Womöglich bin ich Ihnen
ja mehr wert als ihm. Zumindest scheinen Sie, Mr. Warden, ein
Reitpferd von einem Spielzeug unterscheiden zu können. Erlauben
Sie jetzt bitte, dass ich mich zurückziehe. Und du entschuldigst
mich ebenfalls, Vater. Ich muss über das alles nachdenken. Wir
sehen uns beim Tee, denke ich.«
Gwyneira rauschte hinaus, immer noch von unbestimmter, aber
glühender Wut erfüllt. Ihre Augen füllten sich jetzt
auch mit Tränen, aber das würde sie niemanden sehen lassen.
Wie immer, wenn sie zornig war und Rachepläne schmiedete,
schickte sie ihre Zofe fort, kauerte sich in die hinterste Ecke ihres
Himmelbettes und zog die Vorhänge zu. Cleo vergewisserte sich
noch, dass die Bedienstete wirklich verschwunden war. Dann schlüpfte
sie durch eine Falte und schmiegte sich tröstend an ihre Herrin.
»Jetzt wissen wir jedenfalls, was mein Vater von uns hält«,
bemerkte Gwyneira und kraulte Cleos weiches Fell. »Du bist bloß
ein Spielzeug, und ich bin ein Einsatz beim Black Jack.«
Vorhin, als ihr Vater damit herausgerückt war, hatte sie die
Sache mit dem Spieleinsatz gar nicht als so schlimm empfunden.
Eigentlich war es eher erheiternd, dass auch ihr Vater einmal derart
über die Stränge schlug, und sicher war diese Brautwerbung
nicht allzu ernst gemeint.Andererseits – sehr recht wäre
es Lord Silkham wohl auch nicht gewesen, hätte Gwyneira sich
jetzt einfach geweigert, Wardens Vorschlag zur Kenntnis zu nehmen!
Mal ganz abgesehen davon, dass ihr Vater ohnehin ihre Zukunft
verspielt hatte; schließlich hatte Warden die Schafe gewonnen,
ob mit oder ohne Gwyneira! Und der Erlös der Herde wäre
ihre Mitgift gewesen. Nun hätte Gwyneira nicht auf einer Ehe
bestanden. Im Gegenteil, eigentlich gefiel es ihr gut auf Silkham
Manor, und am liebsten hätte sie eines Tages die Leitung der
Farm übernommen. Sie hätte es mit Sicherheit besser gemacht
als ihr Bruder, den am ländlichen Leben eigentlich nur die Jagd
und gelegentliche Point-to-Point-Rennen interessierten.Als Kind hatte
Gwyneira sich diese Zukunft gern in leuchtenden Farben ausgemalt: Sie
wollte mit ihrem Bruder auf der Farm leben und sich um alles kümmern,
während John Henry seinen Vergnügungen nachging. Damals
hatten beide Kinder das für eine gute Idee gehalten.
»Ich werde Rennreiter!«, hatte John Henry erklärt.
»Und züchte Pferde!«
»Und ich kümmere mich um die Schafe und Ponys!«,
eröffnete Gwyneira ihrem Vater.
Solange die Kinder klein waren, hatte Lord Silkham darüber
gelacht und seine Tochter »meine kleine Verwalterin«
genannt. Aber je älter die Kinder wurden, je respektvoller die
Farmarbeiter von Gwyneira sprachen und je öfter Cleo John Henrys
Hütehund bei Wettbewerben schlug, desto weniger gern sah Silkham
seine Tochter in den Ställen.
Und heute hatte er behauptet, dass er ihre Arbeit dort als
Spielerei betrachtete! Wütend zerknüllte Gwyneira ihr
Kissen.Aber dann kam sie ins Grübeln.Hatte Lord Silkham das
wirklich so gemeint? War es nicht eher so, dass er Gwyneira als
Konkurrenz für seinen Sohn und Erben ansah? Zumindest als
Ärgernis und Hemmnis bei seiner Einarbeitung als künftiger
Gutsherr? Wenn das der Fall war, hatte sie auf Silkham Manor ganz
sicher keine Zukunft! Ob mit oder ohne Mitgift, spätestens bevor
ihr Bruder im nächsten Jahr vom College abging, würde ihr
Vater sie verheiraten. Ihre Mutter drängte ohnehin darauf; sie
konnte es gar nicht erwarten, ihre wilde Tochter endgültig vor
den Kamin und an den Stickrahmen zu verbannen. Und angesichts ihrer
finanziellen Lage konnte Gwyneira keine Ansprüche stellen. Ganz
sicher fand sich kein junger Lord mit einem vergleichbaren Anwesen
wie Silkham Manor! Sie musste froh sein, wenn ein Mann wie Oberst
Riddleworth für sie abfiel. Und womöglich lief es sogar auf
einen Stadthaushalt hinaus, die Ehe mit irgendeinem zweiten oder
dritten Sohn einer Adelsfamilie, der sich in Cardiff als Arzt oder
Anwalt durchschlug. Gwyneira dachte an tägliche
Teegesellschaften, an Sitzungen der Wohltätigkeitskomitees ...
und schüttelte sich.
Aber da war ja noch die Brautwerbung des Gerald Warden!
Bislang hatte sie die Reise nach
Weitere Kostenlose Bücher