Im Land der weissen Rose
Offizier zu, der daraufhin
die Namen auf einer Liste abstrich.
»Kabine eins im Heckteil«, erklärte er und winkte
Helen und die Mädchen schnell weiter. Die sieben tasteten sich
durch enge, dunkle Gänge im Bauch des Schiffes, die zudem von
aufgeregten Menschen und ihren Habseligkeiten nahezu verstopft waren.
Helen hatte nicht viel Gepäck, doch auch die kleine Reisetasche
wurde ihr allmählich schwer. Die Mädchen besaßen noch
weniger; sie trugen nur ihre Nachtwäsche und je ein Kleid zum
Wechseln in einem Bündel bei sich.
Endlich fand sich die Kabine, und die Mädchen purzelten
aufatmend hinein. Helen selbst jedoch war alles andere als begeistert
von dem winzigen Kämmerchen, das nun für bis zu drei Monate
ihre Wohnung sein sollte. Die Einrichtung des extrem niedrigen und
dunklen Raums bestand aus einem Tisch, einem Stuhl und sechs Kojen –
Etagenbetten, wie Helen entsetzt feststellte, und noch dazu eins zu
wenig. Zum Glück waren Mary und Laurie es gewohnt, das Bett zu
teilen. Sie nahmen auch gleich eine der mittleren Kojen in Besitz und
kuschelten sich dort eng aneinander. Noch immer fürchteten sie
sich vor der Reise. Die vielen Menschen und der Lärm an Bord
machten ihnen Angst.
Helen störte sich dagegen eher an dem durchdringenden Gestank
nach Schafen, Pferden und anderem Getier, der vom Unterdeck zu ihnen
hinaufdrang. Ausgerechnet neben und unter Helens Unterkunft hatte man
provisorische Pferche für Schafe und Schweine errichtet, sowie
Ständer für eine Kuh und zwei Pferde. Helen fand das alles
unzumutbar und beschloss, sich zu beschweren. Sie wies ihre Mädchen
an, in der Kabine zu warten, und machte sich erneut auf den Weg an
Deck.Zum Glück gab es einen kürzeren Weg an die frische
Luft als den durchs Zwischendeck, den sie gekommen waren: Direkt vor
Helens Kabine führten Stufen hinauf. Inzwischen waren auch
provisorische Rampen errichtet worden, um die Tiere einzuladen. Von
der Besatzung war am Heck des Schiffes allerdings niemand zu sehen;
im Gegensatz zum Eingang am anderen Ende wurde dieser nicht bewacht.
Dabei wimmelte es auch hier von Auswandererfamilien, die ihr Gepäck
an Bord schleppten und sich weinend und lamentierend von Angehörigen
verabschiedeten. Gedränge und Lärm waren unerträglich.
Dann aber teilte sich die Menge an den Stegen, über die
Ladung und Vieh an Bord gebracht wurden. Der Grund dafür war
leicht zuerkennen: Soeben wurden zwei Pferde verladen, und eines von
ihnen war verängstigt. Der kleine, drahtige Mann,dessen blaue
Tätowierungen an beiden Armen ihn wohl als Besatzungsmitglied
auswiesen, hatte alle Hände voll zu tun, das Tier zu halten.
Helen überlegte, ob man den Mann wohl im Rahmen irgendeiner
Strafaktion zu dieser berufsfremden Aufgabe verdonnert hatte.
Bestimmt besaß er keine Erfahrung mit Pferden, denn er
handhabte den kräftigen schwarzen Hengst reichlich ungeschickt.
»Nun komm schon, du schwarzer Teufel, ich hab nicht
unendlich Zeit!«, brüllte er das Tier an, das allerdings
nicht darauf reagierte. Im Gegenteil, der Rappe zerrte noch
entschlossener rückwärts und legte dabei böse die
Ohren zurück. Er schien fest entschlossen, keinen Huf auf die
gefährlich wackelnde Rampe zu setzen.
Das zweite Pferd, das Helen nur undeutlich hinter ihm erkannte,
schien ruhiger zu sein. Vor allem wirkte seine Führerin weit
couragierter. Zu ihrer Ãœberraschung erkannte Helen ein
zierliches Mädchen in eleganter Reisekleidung. Ungeduldig
wartete es mit dem Führstrick einer stämmigen, braunen
Stute in der Hand.Als der Hengst noch immer keine Anstalten machte,
vorwärts zu gehen,mischte das Mädchen sich ein.
»So wird das nichts, geben Sie ihn mir mal!«
Verwundert beobachtete Helen, wie die junge Lady ihre Stute
kurzerhand an einen der wartenden Auswanderer übergab und dem
Matrosen den Hengst abnahm. Helen rechnete damit, dass das Tier sich
losreißen würde; schließlich hatte schon der Mann es
kaum halten können. Stattdessen beruhigte der Rappe sich sofort,
als das Mädchen geschickt den Führstrick verkürzte und
ihn freundlich ansprach.
»So, das machen wir jetzt mal Schritt für Schritt,
Madoc! Ich gehe vor, du kommst nach. Und wag es ja nicht, mich
umzurennen!«
Helen hielt den Atem an, während der Hengst der jungen Lady
tatsächlich folgte – angespannt, aber äußerst
manierlich. Das Mädchen
Weitere Kostenlose Bücher