Im Land der weissen Rose
lobte und klopfte ihn, als er
schließlich sicher an Bord stand. Der Hengst sabberte daraufhin
auf ihr dunkelblaues, samtenes Reisekostüm, doch sie schien es
gar nicht zu bemerken.
»Wo bleiben Sie denn jetzt mit der Stute!«, rief sie
stattdessen wenig damenhaft zu dem Matrosen hinunter. »Igraine
tut Ihnen nichts! Gehen Sie einfach vorweg!«
Die braune Stute zeigte sich tatsächlich gelassener als der
junge Hengst, obwohl auch sie ein wenig tänzelte. Der Matrose
hielt ihren Strick am äußersten Ende. Dabei machte er ein
Gesicht, als balanciere er eine Dynamitstange. Immerhin brachte er
das Pferd an Bord, und Helen konnte nun auch ihre Beschwerde
anbringen.Als das Mädchen und der Mann die Tiere direkt an ihrer
Kabine vorbei aufs Unterdeck führten, wandte sie sich an den
Matrosen.
»Wahrscheinlich ist es nicht Ihre Schuld, aber jemand muss
hier etwas unternehmen. Wir können unmöglich neben den
Ställen wohnen. Die Geruchsbelästigung ist kaum zu
ertragen! Und was ist, wenn die Biester mal freikommen? Dann sind wir
hier unseres Lebens nicht sicher!«
Der Matrose zuckte die Schultern. »Da kann ich nichts
machen, Madame. Befehl vom Kapitän. Das Viehzeug muss mit. Und
die Kabinenzuteilung ist immer gleich:Alleinreisende Männer
vorn, Familien in der Mitte, und allein reisende Frauen hinten. Da
Sie die einzigen allein reisenden Frauen sind, können Sie mit
keinem tauschen. Finden Sie sich damit ab.« Keuchend hastete
der Mann hinter der Stute her, die es jetzt offensichtlich eilig
hatte, dem Hengst und der jungen Lady zu folgen. Das Mädchen
lavierte zunächst den Rappen, dann die Braune in die zwei
nebeneinander liegenden Ständer und band sie dort fest. Als sie
wieder zum Vorschein kam, war ihr blauer Samtrock mit Heuhalmen und
Stroh bedeckt.
»Unpraktisches Zeug!«, schimpfte das Mädchen und
versuchte, das Kleid auszuschütteln. Dann gab sie es auf und
wandte sich Helen zu.
»Tut mir Leid, wenn die Tiere Sie stören.Aber ausreißen
können sie nicht, die Rampen werden abgebaut ... was aber nicht
ungefährlich ist. Falls das Schiff sinkt, kriege ich Igraine
doch nie hier raus!Aber der Kapitän besteht darauf. Wenigstens
soll jeden Tag gemistet werden. Und die Schafe riechen auch nicht
mehr so streng, wenn sie erst trocken sind.Außerdem gewöhnt
man sich...«
»Ich werde mich nie daran gewöhnen, in einem Stall zu
wohnen!«, meinte Helen hoheitsvoll.
Das Mädchen lachte. »Wo bleibt Ihr Pioniergeist? Sie
wollen doch auch auswandern, nicht wahr? Also, ich würde gern
die Kabine mit Ihnen tauschen.Aber ich schlafe ganz oben. Mr. Warden
hat die Salon-Kabine gebucht. Sind das alles Ihre Kinder?«
Sie warf einen Blick auf die Mädchen, die sich zunächst
weisungsgemäß in ihrer Kabine verschanzt hatten, jetzt
aber vorsichtig und ein bisschen neugierig herauslugten, als sie
Helens Stimme hörten. Besonders Daphne beäugte interessiert
sowohl die Pferde als auch die elegante Kleidung der jungen Lady.
»Aber nein«, sagte Helen. »Ich kümmere mich
nur während der Überfahrt um die Mädchen. Sie sind
Waisenkinder. – Sind das alles Ihre Tiere?«
Das Mädchen lachte. »Nein, nur die Pferde ... eins von
den Pferden, genauer gesagt. Der Hengst gehört Mr. Warden. Die
Schafe ebenfalls. Wem das andere Viehzeug gehört, weiß ich
nicht, aber vielleicht kann man die Kuh ja melken! Dann hätten
wir frische Milch für die Kinder. Die sehen aus, als könnten
sie es brauchen.«
Helen nickte unglücklich. »Ja, sie sind stark
unterernährt. Hoffentlich überleben sie die lange Fahrt,
man spricht so viel von Seuchen und Kindersterblichkeit.Aber wir
haben wenigstens einen Arzt an Bord. Hoffentlich versteht er sein
Geschäft. Übrigens, mein Name ist Helen Davenport.«
»Gwyneira Silkham«, antwortete das Mädchen. »Und
das da sind Madoc und Igraine ...« Sie stellte die Pferde so
selbstverständlich vor, als handele es sich um Teilnehmer an
einer Teegesellschaft. »Und Cleo ... wo steckt sie denn schon
wieder? Ah, da ist sie ja. Sie schließt schon wieder
Freundschaften.«
Helen folgte Gwyneiras Blick und erkannte ein kleines, haariges
Wesen, das sie freundlich anzulächeln schien.Allerdings zeigte
es dabei imponierend große Zähne, was es Helen sofort
unheimlich machte. Sie erschrak, als sie Rosie neben dem Tier
erblickte. Das kleine
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