Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Land Der Weissen Wolke

Im Land Der Weissen Wolke

Titel: Im Land Der Weissen Wolke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
Vom Netzwerk:
Jagdeifer, was kein Wunder war. Bei Erfolg winkten den Fängern Prämien, die ihre karge Heuer aufbesserten. Als Lucas an Deck kam, erblickte er zunächst den Skipper, der mit gerunzelter Stirn zu dem Wal hinüberblickte, der tatsächlich noch in Sichtweite der neuseeländischen Küste sein Spiel mit den Wellen trieb.
    »Prachtvolles Exemplar!«, freute sich Milford. »Riesig! Ich hoffe, wir schaffen ihn! Aber wenn, füllen wir heute schon die Hälfte der Fässer! Das Vieh ist fett wie ein Schwein vor dem Schlachten!«
    Die Männer lachten grölend, während Lucas das majestätische Tier, das sich ihnen hier ganz furchtlos präsentierte, noch gar nicht als Jagdbeute betrachten konnte. Für Lucas war es die erste Begegnung mit einem der riesigen Meeressäuger. Der gewaltige Pottwal, fast so groß wie die ganze Pretty Peg , glitt elegant durch die Fluten, schien mitunter vor Lebensfreude zu springen und sich dabei in der Luft zu drehen und zu winden wie ein übermütig bockendes Pferd. Wie sollten sie dieses riesige Tier erlegen? Und warum hatten sie überhaupt Interesse daran, diese Schönheit zu zerstören? Lucas konnte sich an der Anmut und Leichtigkeit, die der Wal trotz seiner gewaltigen Masse zeigte, kaum satt sehen.
    Die anderen Männer hatten dafür allerdings keinen Blick. Sie teilten sich bereits in Mannschaften auf und sammelten sich um ihren jeweiligen Bootsgast. Copper winkte Lucas zu sich. Anscheinend gehörte er zu den ausgewählten Männern, die ihre eigene Schaluppe befehligten.
    »Jetzt gilt’s!« Der Skipper rannte aufgeregt auf dem Deck herum und ließ die Boote startklar machen. Seine Stammbesatzung bildete dabei ein eingespieltes Team. Die Männer ließen die kleinen, stabilen Ruderboote geschickt zu Wasser – jeweils sechs Ruderer nahmen darin Platz; dazu kamen der Bootsgast und Harpunier, manchmal noch ein Steuermann. Die Harpunen erschienen Lucas winzig im Verhältnis zu dem Tier, das sie erlegen wollten. Doch Copper lachte nur, als er eine entsprechende Bemerkung machte.
    »Die Masse macht’s, Junge! Klar, ein einziger Schuss kitzelt das Vieh nur. Aber sechs setzen ihn außer Gefecht. Dann ziehen wir ihn längsseits des Schiffs und specken ihn ab. Knochenarbeit, aber einträglich. Und der Skipper ist nicht geizig. Wenn wir den da kriegen, fallen für jeden ein paar Dollar extra ab. Also streng dich an!«
    Die See war heute nicht allzu rau, und die Ruderboote näherten sich dem Wal rasch. Der schien auch gar nicht die Absicht zu haben, sich davonzumachen. Im Gegenteil, er schien das Bootsgewimmel um ihn herum ganz unterhaltsam zu finden und legte ein paar Extrasprünge ein, fast als wolle er die Menschen damit ergötzen – bis ihn die erste Harpune traf. Ein Harpunier aus Boot eins rammte dem Tier seinen Speer in die Flosse. Erschrocken und verärgert warf der Wal sich herum und schwamm direkt auf Coppers Boot zu.
    »Vorsicht mit dem Schwanz! Wenn er ernstlich getroffen wird, schlägt er um sich. Nicht zu nah ran, Jungs!«
    Copper gab Anweisungen, während er den Brustkorb des Wals fixierte. Er landete schließlich den zweiten Treffer und platzierte ihn deutlich besser als den ersten. Der Wal schien schwächer zu werden. Aber jetzt ging auch ein wahrer Regen von Harpunen auf das Tier nieder. Lucas sah mit einer Mischung aus Faszination und Entsetzen, wie der Wal sich unter den Angriffen aufbäumte und nun doch zu flüchten versuchte, aber inzwischen schon gefangen war. Die Harpunen waren mit Seilen verbunden, an denen das Tier zum Schiff geschleppt werden sollte. Der Wal war nun fast verrückt vor Schmerz und Angst. Er zerrte an seinen Fesseln, und mitunter gelang es ihm wirklich, eine der Harpunen herauszureißen. Das Tier blutete inzwischen aus Dutzenden von Wunden, und das Wasser um den Wal herum schäumte rot. Lucas war angewidert von dem Schauspiel, dem gnadenlosen Abschlachten des majestätischen Tieres. Der Kampf des Kolosses gegen seine Gegner dauerte Stunden, und die Männer verausgabten sich völlig beim Rudern, Schießen und Zerren an den Seilen, um den Wal zu bezwingen. Lucas bemerkte gar nicht, wie sich an seinen Händen Blasen bildeten und aufplatzten. Er spürte auch keine Angst, als sich Copper, entschlossen, sich auszuzeichnen, immer näher an das sterbende und um sich schlagende Tier wagte. Lucas empfand nur noch Widerwillen und Mitleid mit der Kreatur, die entschlossen bis zum letzten Atemzug kämpfte. Er konnte es kaum fassen, an diesem ungleichen Kampf teilzuhaben, aber

Weitere Kostenlose Bücher