Im Land Der Weissen Wolke
keinen Fall als Bauarbeiter oder auch als Kunsttischler verdienen konnte. Er musste schneller zu Vermögen kommen, und wie es der Zufall wollte, taten sich dazu gerade jetzt und gerade in dieser Region der Südinsel neue Möglichkeiten auf. Ganz in der Nähe von Westport, einige Meilen flussaufwärts am Buller River, hatte man Gold gefunden. Immer mehr Goldgräber überschwemmten die Stadt, deckten sich mit Proviant, Spaten und Goldpfannen ein und verschwanden dann im Dschungel oder in den Bergen. Zunächst nahm sie niemand allzu ernst, doch als die ersten zurückkamen, mit stolzgeschwellter Brust und einem kleinen Vermögen an Goldnuggets in Leinenbeuteln an ihren Gürteln, erfasste das Goldfieber auch die eingesessenen Coaster rund um Westport.
»Warum versuchen wir es nicht auch, Luke?«, fragte David eines Tages, als sie am Flussufer saßen und wieder ein Trupp Goldsucher in Kanus an ihnen vorbeipaddelten.
Lucas erklärte dem Jungen eben eine spezielle Zeichentechnik und sah überrascht auf. »Was sollen wir versuchen? Nach Gold schürfen? Mach dich nicht lächerlich, Dave, das ist nichts für uns.«
»Aber warum nicht?« Der begehrliche Blick in Davids Kulleraugen ließ Lucas’ Herz höher schlagen. Da war noch nichts von der Gier der gewieften Goldwäscher, die oft schon andere Stationen durchlaufen hatten, bevor die Nachricht von den neuen Funden sie nach Westport trieb. Da war kein Nachhall alter Enttäuschungen, endloser Winter in primitiven Camps, glutheißer Sommer, in denen man grub, Bäche umleitete, unendliche Mengen Sand durchs Sieb rieseln sah und hoffte, hoffte, hoffte – bis dann doch wieder andere die fingerbreiten Nuggets in den Flüssen fanden oder die ergiebigen Goldadern im Gestein. Nein, David blickte eher wie ein Kind beim Spielzeugmacher. Er sah sich schon im Besitz der neuen Schätze – wenn ihm nur der kaufunwillige Vater keinen Strich durch die Rechnung machte. Lucas seufzte. Er hätte dem Jungen den Wunsch zu gern erfüllt, sah aber keine Aussichten auf Erfolg.
»Davey, wir verstehen nichts vom Goldschürfen«, sagte er freundlich. »Wir wüssten ja nicht mal, wo wir suchen sollten. Außerdem bin ich kein Trapper und Abenteurer. Wie sollen wir uns da draußen durchschlagen?«
Wenn Lucas ehrlich war, hatten ihm schon die Stunden im Dschungel gereicht, als er von der Pretty Peg geflohen war. Sosehr ihn die ausgefallene Pflanzenwelt der Gegend faszinierte, so nervös machte ihn der Gedanke, sich dort womöglich zu verlaufen. Dabei hatte er damals noch den Fluss als Orientierungshilfe gehabt. Bei einem erneuten Abenteuer würden sie sich weiter davon entfernen müssen. Gut, vielleicht konnte man einem Bach folgen, doch Davids Vorstellung, das Gold würde einem dann nur so entgegenströmen, teilte Lucas nicht.
»Bitte, Luke, wir können es wenigstens versuchen! Wir müssen ja hier nicht gleich alles aufgeben. Aber gib uns ein Wochenende! Mr. Miller leiht mir bestimmt ein Pferd. Dann reiten wir am Freitagabend flussaufwärts, schauen uns samstags da oben um ...«
»Wo soll denn ›da oben‹ sein, Davey?«, fragte Lucas sanft. »Hast du da irgendeine Vorstellung?«
»Rochford hat Gold am Lyell Creek und am Buller Gorge gefunden. Lyell Creek ist vierzig Meilen flussaufwärts ...«
»Und da treten die Goldgräber sich wahrscheinlich schon auf die Füße«, meinte Lucas skeptisch.
»Wir müssen ja nicht da suchen! Wahrscheinlich gibt es überall Gold, wir brauchen sowieso unseren eigenen Claim! Komm, Luke, sei kein Spielverderber! Ein Wochenende!« David verlegte sich aufs Bitten – und Lucas fühlte sich geschmeichelt. Der Junge hätte sich schließlich auch irgendeinem Goldgräbertrupp anschließen können, aber offensichtlich wollte er mit ihm zusammen sein. Trotzdem schwankte Lucas. Das Abenteuer erschien ihm allzu gewagt. Die Gefahren eines Rittes in den Regenwald, auf unbekannten Pfaden fernab der nächsten Siedlung standen dem von Natur aus vorsichtigen Lucas zu deutlich vor Augen. Vielleicht hätte er nie zugestimmt, aber dann tauchten Norman und ein paar andere Seehundjäger im Mietstall auf. Vergnügt begrüßten sie Lucas – wobei sie nicht versäumten, sich selbst und ihn lautstark an seine Nacht mit den Zwillingen zu erinnern. Norman schlug ihm vergnügt auf die Schultern. »Mann, und wir hatten schon gedacht, du hast keinen Mumm in den Knochen! Was machste denn jetzt? Hab gehört, du bist auf ’m Bau ’ne ganz große Nummer! Schön für dich. Aber reich wirste da
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