Im Land Der Weissen Wolke
für die Sägemühle sehr viel präziser formulierte, als die Bauhandwerker es bisher getan hatten. Zwar war er auch im Umgang mit Holz nicht der Geschickteste, aber David bewies viel Talent dafür und versuchte sich bald am Tischlern von Möbeln nach Lucas’ Plänen. Die künftigen Bewohner des neuen Hauses – der Fellhändler und seine Gattin – konnten sich vor Begeisterung kaum fassen, als die beiden ihnen die ersten Stücke präsentierten.
Natürlich dachte Lucas bei all dem oft daran, seinem jungen Schüler und Freund auch körperlich näher zu kommen. Er träumte von innigen Umarmungen und erwachte dann mit einer Erektion oder, schlimmer noch, zwischen feuchten Decken. Aber er hielt sich eisern zurück. Im alten Griechenland war eine Liebesbeziehung zwischen Mentor und Knaben durchaus normal gewesen; im modernen Westport würde man beide dafür verdammen. Dabei näherte sich David seinem Freund ganz unbefangen. Wenn er manchmal, nach dem Schwimmen, nackt neben ihm lag, um sich von der spärlichen Sonne trocknen zu lassen, streifte ihn oft ein Arm oder ein Bein, und als es nach dem Winter wärmer wurde und auch Lucas gern im Wasser planschte, ermunterte ihn der Junge zu wilden Ringkämpfen. Er dachte sich nichts dabei, ihn dabei mit den Beinen zu umklammern oder seinen Oberkörper an Lucas’ Rücken zu pressen. Lucas war dann dankbar dafür, dass der Buller River auch im Sommer kalt war und seine Erektion sich infolgedessen nie lange hielt. Das Bett mit David zu teilen wäre die Erfüllung gewesen, doch Lucas wusste, dass er nicht zu gierig sein durfte. Was er jetzt erlebte, war schon mehr, als er jemals erhofft hatte. Sich mehr zu wünschen wäre vermessen gewesen. Lucas wusste auch, dass sein Glück nicht ewig anhalten konnte. Irgendwann wäre David erwachsen, würde sich vielleicht in ein Mädchen verlieben und ihn dann vergessen. Doch bis dahin, hoffte Lucas, würde der Junge genug gelernt haben, um als Kunsttischler finanziell gesichert durchs Leben zu kommen. Was er dazu tun konnte, würde er tun. Er versuchte, dem Knaben auch die Grundbegriffe von Mathematik und Rechnungswesen nahe zu bringen, um nicht nur einen guten Handwerker, sondern auch einen gewieften Kaufmann zu schulen. Lucas liebte David selbstlos, hingebungsvoll und zärtlich. Er freute sich an jedem Tag mit ihm und versuchte, nicht an das unvermeidliche Ende zu denken. David war so jung! Es sollten noch Jahre der Gemeinschaft vor ihnen liegen.
David – oder Steinbjörn, wie er selbst noch von sich dachte – teilte Lucas’ Selbstgenügsamkeit jedoch nicht. Der Junge war klug, fleißig und hungrig nach Erfolg und nach Leben. Vor allem aber war er verliebt, ein Geheimnis, das er niemandem je verraten hätte, nicht einmal Lucas, seinem väterlichen Freund. Steinbjörns Liebe war auch der Grund, weshalb er so bereitwillig den neuen Namen angenommen hatte und warum er jetzt jede freie Minute nutzte, sich irgendwie durch David Copperfield zu quälen. Darüber konnte er schließlich mit Daphne reden – ganz selbstverständlich und unschuldig, und niemand würde auch nur ahnen, wie sehr er sich nach dem Mädchen verzehrte. Natürlich wusste er, dass er niemals eine Chance bei ihr haben würde. Wahrscheinlich würde sie ihn nicht einmal mit in ihr Zimmer nehmen, wenn es ihm gelänge, das Geld für eine Nacht mit ihr zusammenzusparen. Für Daphne war er nicht mehr als ein Kind, schützenswert wie die Zwillingsmädchen, für die sie sorgte, und ganz sicher kein Kunde.
Eigentlich wollte der Junge das auch gar nicht sein. Er sah Daphne nicht als Hure, sondern als geachtete Ehefrau an seiner Seite. Eines Tages würde er viel Geld verdienen, Jolanda die Rechte an dem Mädchen abkaufen und Daphne davon überzeugen, dass sie ein ehrbares Leben verdiente. Die Zwillinge konnte sie gern mitbringen – in seinen Träumen konnte David auch ihren Unterhalt mühelos finanzieren.
Doch wenn das alles irgendwann wahr werden sollte, brauchte David Geld, viel Geld, und zwar schnell. Es schnitt ihm ins Herz, wenn er Daphne im Pub servieren und dann mit irgendeinem Mann nach oben in den ersten Stock verschwinden sah. Ewig würde sie das nicht tun, ewig würde sie vor allem nicht hier bleiben. Daphne schimpfte über das Joch, unter dem sie bei Jolanda stand. Über kurz oder lang würde sie verschwinden und irgendwo einen neuen Anfang wagen.
Es sei denn, David kam ihr mit einem Antrag zuvor.
Nun war dem Jungen natürlich klar, dass er das nötige Geld auf
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