Im Land Der Weissen Wolke
über sie.
Also doch ...
»Nein, lass, Liebster ...« Fleurette schob Ruben sanft von sich herunter. Sie schien keine Angst zu haben, wirkte aber entschlossen. »Ein bisschen müssen wir uns noch für die Hochzeitsnacht aufheben ...« Sie hatte die Augen jetzt geöffnet und lächelte Ruben an. Der junge Mann erwiderte das Lächeln. Ruben war ein gut aussehender Junge, der vom Vater vor allem die ein wenig herben, sehr männlich wirkenden Gesichtszüge und das dunkle, lockige Haar geerbt hatte. Ansonsten kam er eher nach Helen. Sein Gesicht war schmaler als Howards, die Augen grau und verträumt. Dazu war er größer; eher hoch aufgeschossen als kompakt, mit sehnigen Muskeln. In seinem sanften Blick stand durchaus Begehren, doch es war eher Vorfreude als nackte Lust. Fleurette seufzte glücklich. Sie fühlte sich geliebt.
»Wenn es denn eine Hochzeitsnacht geben wird ...«, meinte Ruben schließlich besorgt. »Ich könnte mir vorstellen, dass dein Großvater und mein Vater nicht eben glücklich darüber wären.«
Fleurette zuckte die Achseln. »Aber unsere Mütter werden nichts dagegen haben«, meinte sie optimistisch. »Da werden die zwei sich fügen müssen. Was haben sie bloß gegeneinander? Ich meine, so eine Fehde, über Jahre hinweg, das ist doch krank!«
Ruben nickte. Er hatte ein ausgleichendes Naturell, während Fleurette schneller aufbrauste. So gesehen wäre ihr eine lebenslange Fehde durchaus zuzutrauen. Ruben konnte sich eine Fleurette mit dem Flammenschwert denn auch sehr gut vorstellen. Er lächelte, wurde dann aber wieder ernst.
»Ich kenne die Geschichte!«, verriet er seiner Freundin schließlich. »Onkel George hat sie aus diesem geschwätzigen Bankier in Haldon rausgekitzelt und dann meiner Mutter erzählt. Willst du sie hören?« Ruben spielte mit einer rotgoldenen Haarsträhne.
Paul spitzte die Ohren. Das wurde ja immer besser! Wie es aussah, würde er heute nicht nur die Geheimnisse von Fleur und Ruben erfahren, sondern auch noch Details aus der Familiengeschichte!
»Machst du Witze?«, fragte Fleurette. »Ich brenne darauf! Warum hast du es mir überhaupt noch nie erzählt?«
Ruben zuckte mit den Schultern. »Kann es sein, dass wir immer irgendetwas anderes zu tun hatten?«, fragte er spitzbübisch und küsste sie.
Paul seufzte. Jetzt bloß keine weiteren Verzögerungen! So langsam musste er sich auf den Weg machen, wenn er halbwegs pünktlich zu Hause sein wollte. Kiri und seine Mutter würden Fragen stellen, wenn Marama allein nach Hause kam – und dann fanden sie bestimmt heraus, dass er die Schule geschwänzt hatte!
Aber auch Fleur war begieriger auf die Geschichte als auf erneute Zärtlichkeiten. Behutsam wehrte sie Ruben ab und setzte sich auf. Sie schmiegte sich an ihn, während er erzählte, nutzte die Zeit aber schon, ihre Bluse zuzuknöpfen. Wahrscheinlich war auch ihr aufgegangen, dass es Zeit war, die Schafe zu suchen.
»Also, mein Vater und dein Großvater waren schon in den Vierzigerjahren hier, als es noch kaum Siedler gab, nur Walfänger und Seehundjäger. Aber damals machte man noch viel Geld damit, und außerdem spielten beide sehr geschickt Poker und Black Jack. Jedenfalls hatten sie ein Vermögen in der Tasche, als sie in die Canterbury Plains kamen. Mein Vater wohl nur auf der Durchreise, er wollte in die Gegend von Otago, hatte irgendwas von Gold munkeln hören. Aber Warden dachte an eine Schaffarm – und versuchte, meinen Vater zu überreden, sein Geld in Vieh zu investieren. Und in Land. Gerald hatte sofort gute Beziehungen zu den Maoris. Er fing gleich an, mit ihnen zu kungeln. Wobei die Kai Tahu nicht ganz abgeneigt waren. Der Stamm hatte schon mal Land verkauft, und sie kamen mit den Käufern gut zurecht.«
»Und?«, fragte Fleur. »Sie kauften also Land ...«
»Nicht so schnell. Während sich die Verhandlungen hinzogen und Howard sich nicht entscheiden konnte, wohnten sie bei eben diesen Siedlern – Butler hießen sie. Und Leonard Butler hatte eine Tochter. Barbara.«
»Aber das war meine Großmutter!« Fleurs Interesse war jetzt geweckt.
»Richtig. Nur eigentlich hätte sie meine Mutter werden sollen«, erklärte Ruben. »Jedenfalls verliebte sich mein Vater in Barbara, und sie sich wohl auch in ihn. Aber ihr Vater war nicht so begeistert von ihm, jedenfalls meinte Howard, er brauchte noch mehr Geld, um ihm zu imponieren ...«
»Also zog er nach Otago und fand Gold und – inzwischen verheiratete sich Barbara mit Gerald? Oh, wie traurig, Ruben!«
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