Im Land Der Weissen Wolke
für eine ... nun, vielleicht eine Witwe interessiert, eher in meinem Alter. Aber wenn sie in dem Alter schon Affären haben ...«
»Reginald, ich muss doch sehr bitten!«, unterbrach Gerald ihn streng. »Fleurs Ehre ist über jeden Zweifel erhaben. Ich denke ja nur deshalb an eine frühe Verheiratung, damit es so bleibt. Der Apfel ist reif, wenn Sie verstehen, was ich meine!«
Beasley lachte wieder. »Eine wahrhaft paradiesische Vorstellung! Und was sagt nun das Mädchen selbst dazu? Werden Sie ihr meine Werbung überbringen, oder soll ich mich ihr ... äh, selbst erklären?«
Gwyneira konnte kaum glauben, was sie da hörte. Fleurette und Reginald Beasley? Der Mann musste weit über fünfzig sein, eher noch in den Sechzigern. Alt genug, um Fleurs Großvater zu sein!
»Lassen Sie mal, das mache ich. Kommt ja sicher etwas überraschend. Aber sie wird zustimmen, da machen Sie sich mal keine Sorgen! Schließlich ist sie eine Lady, wie Sie schon sagten.« Gerald hob noch einmal die Whiskeyflasche. »Auf unsere Verwandtschaft«, lächelte er. »Auf Fleur!«
»Nein, nein und nochmals nein!«
Fleurettes Stimme schallte aus dem Herrenzimmer, in das Gerald sie zum Gespräch gebeten hatte, durch den gesamten Salon bis in Gwyneiras Büro. Sie klang nicht sehr damenhaft – eher so, als mache die junge Fleurette ihrem Großvater soeben die Szene seines Lebens. Gwyneira hatte es vorgezogen, sich diesen Auftritt nicht unmittelbar anzutun. Sollte Gerald sich allein mit Fleur auseinander setzen, sie konnte hinterher immer noch vermittelnd eingreifen. Schließlich musste Beasley abgewiesen werden, ohne dass man ihn verletzte. Obgleich eine kleine Abfuhr dem alten Herrn nicht geschadet hätte. Wie konnte er nur an eine sechzehnjährige Braut denken! Gwyneira hatte sich allerdings vergewissert, dass Gerald noch nicht zu betrunken war, als er Fleur zu sich befahl, und sie hatte ihre Tochter vorgewarnt.
»Denk daran, Fleur, er kann dich nicht zwingen. Vielleicht haben sie es schon herumerzählt, dann gibt das einen kleinen Skandal. Aber ich kann dir versichern, dass Christchurch schon andere Affären überstanden hat. Bleib einfach ruhig, und mach deinen Standpunkt klar.«
Ruhig bleiben lag Fleurette allerdings gar nicht.
»Ich soll mich fügen?«, schleuderte sie Gerald denn auch entgegen. »Ich denke gar nicht daran! Bevor ich den alten Kerl heirate, gehe ich ins Wasser! Im Ernst, Großvater, ich stürze mich in den See!«
Gwyneira musste lächeln. Woher hatte Fleur bloß dieses Theatralische? Vermutlich aus einem von Helens Büchern. Tatsächlich würde ihr ein Sturz in den Tümpel bei Kiward Station kaum etwas schaden. Erstens war das Wasser flach, zweitens konnte Fleur dank ihrer und Rubens Maori-Freunde hervorragend schwimmen.
»Oder ich gehe ins Kloster!«, führte Fleurette soeben aus. Es gab zwar noch keins auf Neuseeland, aber das schien ihr im Moment entfallen zu sein. Gwyneira schaffte es immer noch, die Sache von der komischen Seite zu nehmen. Dann aber hörte sie Geralds Stimme und war erneut alarmiert. Da war etwas faul ... der alte Mann musste deutlich mehr getrunken haben, als Gwyneira geglaubt hatte. Als sie Fleur vorbereitet hatte? Oder erst jetzt, während Fleur ihre kindischen Drohungen ausstieß?
»Du willst doch nicht ins Kloster, Fleurette! Das ist wohl der letzte Ort, an den du willst. Wo du jetzt schon Spaß dran findest, dich mit deinem dreckigen kleinen Freund im Heu zu wälzen! Wart’s ab, meine Kleine, es sind schon andere kirre geworden. Du brauchst einen Mann, Fleur, du ...«
Fleurette schien die Bedrohung jetzt ebenfalls zu spüren. »Mutter erlaubt es auch gar nicht, wenn ich jetzt schon heirate ...«, sagte sie jetzt mit deutlich leiserer Stimme. Das brachte Gerald aber noch mehr in Rage.
»Deine Mutter wird tun, was ich will! Wir ziehen hier andere Saiten auf, das kann ich dir flüstern!« Gerald riss das Mädchen zurück, das eben die Tür geöffnet hatte, um ihm zu entfliehen. »Ihr alle werdet endlich einmal das tun, was ich will!«
Gwyneira, die sich dem Herrenzimmer inzwischen voller Angst genähert hatte, stürzte dazu. Sie sah eben noch, wie Fleurette in einen Sessel geschleudert wurde und dort schluchzend und verängstigt sitzen blieb. Gerald machte Anstalten, sich auf sie zu stürzen, wobei eine Whiskeyflasche zu Bruch ging. Kein Verlust, die Flasche war leer. Gwyneira schoss durch den Kopf, dass sie vorhin noch drei viertel voll gewesen war.
»Aufmüpfig ist das Stütchen,
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