Im Land Der Weissen Wolke
Strang zieht. Aber ich schicke sie dir sowieso alle, sobald wir hier fertig sind. Es dauert nur so elend lange. Kriegst du die Schafe so lange ernährt?«
Die Weiden um die Farmen herum waren zurzeit der Schur zumeist abgefressen. Man trieb die Tiere dann den Sommer über ins Hochland.
»Mehr schlecht als recht«, murmelte Helen. »Ich gebe ihnen das Futter, das für die Rinder bestimmt war. Die hat George ja in Christchurch verkauft, sonst hätte ich nicht mal die Beerdigung bezahlen können. Auf Dauer werde ich auch die Farm verkaufen müssen. Ich bin nicht wie du, Gwyn, ich schaffe das nicht allein. Und wenn ich ehrlich sein soll: Ich mag auch keine Schafe.« Ungeschickt streichelte sie den jungen Hütehund, den Gwyn ihr als Erstes geschenkt hatte. Das Tier war voll ausgebildet und half ihr enorm bei der Arbeit auf der Farm. Allerdings kontrollierte Helen ihn nur ungenügend. Der einzige Vorteil, den sie Gwyn gegenüber hatte, lag in ihrem nach wie vor freundschaftlichen Verhältnis zu den Maoris. Ihre Schulkinder halfen ihr ganz selbstverständlich bei der Farmarbeit, und so hatte Helen zumindest Gemüse aus dem Garten, Eier, Milch und häufig frisches Fleisch, wenn die kleinen Jungen sich in der Jagd übten oder ihre Eltern ihnen Fische als Geschenk für die Lehrerin mitgaben.
»Hast du Ruben schon geschrieben?«, fragte Gwyn.
Helen nickte. »Aber du weißt ja, wie lange es dauert. Die Post geht erst nach Christchurch und dann nach Dunedin ...«
»Dabei könnten die Wagen vom O’Kay Warehouse sie bald mitnehmen«, bemerkte Gwyneira. »Fleur schrieb in ihrem letzten Brief, dass eine Lieferung für sie in Lyttelton erwartet wird. Sie müssen also jemanden hinschicken, um sie abzuholen. Wahrscheinlich sind sie schon auf dem Weg. Aber jetzt lass uns mal über meine Wolle reden – die Maoris drohen, unsere Wege nach Christchurch zu sperren, und ich traue Tonga zu, die Wolle schlichtweg zu rauben – als kleinen Vorschuss auf die Ausgleichszahlungen, die der Gouverneur ihm zusprechen wird. Na, die Suppe gedenke ich ihm zu versalzen. Bist du einverstanden, dass wir alles zu dir bringen, in deinem Kuhstall lagern, bis deine Schur ebenfalls abgeschlossen ist, und dann alles über Haldon befördern? Wir werden etwas später auf den Markt kommen als die anderen Züchter, aber daran können wir nichts ändern ...«
Tonga tobte, doch Gwyns Plan ging auf. Während seine Männer die Straßen bewachten, wobei ihre Begeisterung zunehmend schwand, übernahm George Greenwood die Wolle von Kiward Station und O’Keefe Station in Haldon. Tongas Leute, denen er üppigen Verdienst versprochen hatte, wurden darüber ungeduldig und hielten ihm vor, dass sie um diese Zeit gewöhnlich Geld bei den pakeha verdienten.
»Fast genug für das ganze Jahr!«, klagte Kiris Mann. »Stattdessen werden wir jetzt herumziehen müssen und jagen, wie früher. Kiri freut sich nicht auf einen Winter im Hochland!«
»Vielleicht trifft sie da ja wieder mit ihrer Tochter zusammen!«, gab Tonga böse zurück. »Und deren pakeha -Mann. Dem kann sie dann ihr Leid klagen – er ist schließlich verantwortlich.«
Tonga hatte noch nichts von Paul und Marama gehört. Aber er war geduldig. Er wartete. Und dann ging seinen Straßensperren doch noch ein Planwagen ins Netz. Allerdings kam er nicht aus Kiward Station, sondern aus Christchurch, enthielt keine Vliese, sondern Damenkleider, und eigentlich gab es keinen vertretbaren Grund, ihn anzuhalten. Aber Tongas Männer gerieten langsam außer Kontrolle. Und brachten damit mehr Dinge in Bewegung, als Tonga geahnt hätte.
Leonard McDunn steuerte sein schweres Gefährt über die immer noch ziemlich holprige Landstraße von Christchurch nach Haldon. Das war natürlich ein Umweg, aber sein Arbeitgeber Ruben O’Keefe hatte ihm aufgetragen, in Haldon ein paar Briefe abzugeben und sich auch ein wenig auf einer Farm in der Gegend umzusehen.
»Aber unauffällig, McDunn, bitte! Wenn mein Vater dahinterkommt, dass meine Mutter Kontakt zu mir hält, kommt sie in Teufels Küche. Meine Frau meint sowieso, das Risiko wäre zu groß, aber ich habe so ein ungutes Gefühl ... Ich kann nicht glauben, dass die Farm wirklich so sehr floriert, wie meine Mutter behauptet. Wahrscheinlich wird es reichen, wenn Sie sich in Haldon ein bisschen umhören. In dem Ort kennt jeder jeden, und zumindest die Ladenbesitzerin ist sehr gesprächig ...«
McDunn hatte freundlich genickt und lachend die Bemerkung gemacht, er übe dann schon
Weitere Kostenlose Bücher