Im Land Der Weissen Wolke
dabei gewesen wäre! Vielleicht hätte Mr. Gerald etwas tun können. Kiward Station benötigt doch bestimmt Personal. Und ich brauche eine Zofe! Schau dir mein Haar an – das kommt dabei heraus, wenn ich es allein aufstecke.«
Gwyneira sah tatsächlich ein bisschen wild aus.
Helen lächelte unter Tränen und steuerte erneut das Haus der Baldwins an. »Komm mit«, lud sie Gwyn ein. »Daphne kann die Frisur in Ordnung bringen. Und wenn sich für sie und Dorothy heute niemand mehr findet, solltest du vielleicht wirklich mit Mr. Warden reden. Wetten, dass Baldwins kuschen, wenn er Daphne oder Dorothy anfordert?«
Gwyneira nickte. »Und du könntest die andere nehmen!«, schlug sie vor. »Ein ordentlicher Haushalt braucht ein Dienstmädchen, das sollte dein Howard einsehen. Wir müssten uns nur noch einig werden, wer Dorothy bekommt und wer sich mit Daphnes vorlautem Mundwerk herumschlagen muss ...«
Bevor sie zur Klärung dieser Frage eine Partie Black Jack vorschlagen konnte, erreichten die beiden das Pfarrhaus, vor dem ein Fuhrwerk stand. Helen erkannte, dass ihr schöner Plan kaum Wirklichkeit werden würde. Auf dem Hof unterhielt sich Mrs. Baldwin denn auch bereits mit einem älteren Ehepaar, während Daphne brav daneben wartete. Das Mädchen wirkte wie ein Ausbund an Tugend. Ihr Kleid war makellos sauber und ihr Haar so streng und ordentlich aufgesteckt, wie Helen es selten gesehen hatte. Daphne musste sich speziell für das Treffen mit ihren Dienstherren hergerichtet haben; anscheinend hatte sie sich vorher über die Leute erkundigt. Ihr Erscheinungsbild schien besonders die Frau zu beeindrucken, die selbst adrett und schlicht gekleidet war. Unter ihrem kleinen, dezent mit einem winzigen Schleier geschmückten Hut schaute ein klares Gesicht mit ruhigen braunen Augen hervor. Ihr Lächeln wirkte offen und freundlich, und sie konnte sich offensichtlich kaum darüber beruhigen, wie perfekt der Zufall sie mit ihrem neuen Dienstmädchen zusammengeführt hatte. »Erst vorgestern sind wir aus Haldon gekommen, und gestern wollten wir schon wieder abfahren. Aber dann hatte meine Schneiderin doch noch ein paar Änderungen an meiner Bestellung vorzunehmen, und ich sagte zu Richard: Bleiben wir noch und gönnen uns ein Dinner im Hotel! Richard war ganz begeistert, als er von all den interessanten Leuten hörte, die eben mit der Dublin angekommen waren, und wir hatten einen sehr anregenden Abend! Und wie gut, dass Richard auf den Einfall kam, hier gleich nach unserem Mädchen zu fragen!« Während die Dame sprach, zeigte sie ein lebhaftes Mienenspiel und nahm teilweise die Hände zu Hilfe, um ihre Rede zu unterstreichen. Helen fand sie äußerst sympathisch. Richard, der zugehörige Gatte, wirkte gesetzter, aber ebenfalls freundlich und gutmütig.
»Miss Davenport, Miss Silkham – Mr. und Mrs. Candler!«, stellte Mrs. Baldwin vor und unterbrach damit Mrs. Candlers Redestrom, der ihr sichtlich lästig fiel. »Miss Davenport hat die Mädchen während der Überfahrt begleitet. Sie kann Ihnen mehr über Daphne sagen als ich. Also gebe ich Sie jetzt einfach in ihre Obhut und suche meinerseits die nötigen Papiere für Sie heraus. Dann können Sie das Mädchen nachher mitnehmen.«
Mrs. Candler wandte sich gleich ebenso mitteilungsfreudig an Helen wie zuvor an die Frau des Pastors. Helen hatte keine Mühe, dem Ehepaar ein paar Informationen zu Daphnes künftigem Arbeitsplatz zu entlocken. Tatsächlich berichteten die beiden ihr sogar einen ganzen Abriss ihres bisherigen Lebens auf Neuseeland. Dabei erzählte Mr. Candler launig von den ersten Jahren in Lyttelton, das damals noch Port Cooper genannt worden war. Gwyneira, Helen und die Mädchen lauschten fasziniert seinen Erzählungen von Walfang und Seehundjagd. Mr. Candler selbst hatte sich allerdings nicht mutig aufs Meer hinausgewagt.
»Nein, nein, das ist was für Verrückte, die nichts zu verlieren haben! Aber ich hatte damals schon meine Olivia und die Jungs – da schlag ich mich doch nicht mit Riesenfischen rum, die mir nur an den Kragen wollen! Tun mir auch irgendwie Leid, die Viecher. Die Seehunde besonders, die gucken so treu ...«
Stattdessen hatte Mr. Candler einen Kramladen geführt, der so viel einbrachte, dass er sich später, als die ersten Siedler in den Canterbury Plains bauten, ein schönes Stück Land für eine Farm leisten konnte.
»Aber ich hab schnell gemerkt, dass ich mit Schafen nichts am Hut hab!«, gab er freimütig zu. »Das ganze Tierzeug liegt
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