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Im Land Der Weissen Wolke

Im Land Der Weissen Wolke

Titel: Im Land Der Weissen Wolke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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mir nicht, und meiner Olivia auch nicht!« Er streifte seine Frau mit einem liebevollen Blick. »Also haben wir alles wieder verkauft und einen Laden in Haldon aufgemacht. Das gefällt uns – da ist Leben, da gibt’s was zu verdienen, und der Ort wächst. Beste Aussichten für unsere Jungs.«
    Die »Jungs« – Candlers drei Söhne – waren zwischen sechzehn und dreiundzwanzig. Helen bemerkte, wie Daphnes Augen aufblitzten, als Mr. Candler sie erwähnte. Sofern das Mädchen sich klug verhielt und seine Reize spielen ließ, würde einer von ihnen sicher ihrem Charme erliegen. Und wenn Helen sich ihren eigenwilligen Zögling auch nie als Dienstmädchen hatte vorstellen können – als geachtete und von den männlichen Kunden zweifellos angebetete Händlersfrau wäre sie genau am richtigen Platz.
    Helen wollte sich schon von Herzen für Daphne freuen, als Mrs. Baldwin wieder auf den Hof vor den Ställen kam, diesmal begleitet von einem großen, breitschultrigen Mann mit kantigen Gesichtszügen und hellblauen, forschenden Augen. Sie erfassten wieselflink die Szenerie auf dem Hof, streiften kurz die Candlers, wobei der Blick des Mannes deutlich länger auf Mrs. Candler als auf ihrem Gatten hängen blieb; dann schweifte er weiter zu Gwyneira, Helen und den Mädchen. Dabei konnte Helen seine Aufmerksamkeit sichtlich nicht fesseln. Er schien Gwyn, Daphne und Dorothy weitaus interessanter zu finden. Trotzdem genügte sein flüchtiger Blick, um Helen ausgesprochen peinlich zu berühren. Vielleicht lag es daran, dass er ihr nicht wie ein Gentleman ins Gesicht sah, sondern eher ihre Figur einer Prüfung zu unterziehen schien. Aber das konnte auch eine Täuschung sein oder auf Einbildung beruhen ... Helen musterte den Mann misstrauisch, konnte ihm sonst aber nichts vorwerfen. Er lächelte sogar durchaus einnehmend, wenn auch etwas maskenhaft.
    Helen war allerdings nicht die Einzige, die verstört auf ihn reagierte. Aus dem Augenwinkel sah sie Gwyn instinktiv vor dem Mann zurückweichen, und der lebhaften Mrs. Candler stand ihre Abneigung deutlich im Gesicht geschrieben. Ihr Gatte legte leicht den Arm um sie, als wollte er seine Besitzansprüche klarlegen. Der Mann grinste anzüglich, als er der Geste gewahr wurde.
    Als Helen sich zu den Mädchen umwandte, sah sie, dass Daphne alarmiert wirkte. Dorothy blickte ängstlich. Nur Mrs. Baldwin schien nichts von der seltsamen Ausstrahlung ihres Besuchers zu spüren.
    »So, und hier haben wir denn auch Mr. Morrison«, stellte sie gelassen vor. »Den künftigen Dienstherrn von Dorothy Carter. Sag guten Tag, Dorothy, Mr. Morrison will dich gleich mitnehmen.«
    Dorothy rührte sich nicht. Sie schien vor Schreck zu erstarren. Ihr Gesicht wurde blass, ihre Pupillen weiteten sich.
    »Ich ...« Das Mädchen setzte erstickt zum Sprechen an, doch Mr. Morrison unterbrach sie mit dröhnendem Lachen.
    »Nicht so schnell, Mrs. Baldwin, erst will ich mir das Kätzchen mal anschauen! Ich kann meiner Frau schließlich kein x-beliebiges Mädel ins Haus holen. Du bist also Dorothy ...«
    Der Mann näherte sich dem Mädchen, das sich nach wie vor nicht rührte – auch dann nicht, als er ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht strich und dabei wie unabsichtlich die zarte Haut ihres Halses streifte.
    »Ein hübsches Ding. Meine Gattin wird entzückt sein. Bist du denn auch geschickt mit den Händen, kleine Dorothy?« Die Frage schien unverfänglich, aber selbst der in geschlechtlichen Dingen völlig unerfahrenen Helen war klar, dass hier mehr mitschwang als Interesse an Dorothys handwerklichem Können. Gwyneira, die das Wort »Wollust« zumindest schon einmal gelesen hatte, fiel der fast gierige Ausdruck in Morrisons Augen auf.
    »Zeig mir doch mal deine Hände, Dorothy ...«
    Der Mann löste Dorothys ängstlich ineinander verschränkte Finger und fuhr behutsam über ihre rechte Hand. Es war mehr ein Streicheln als ein Prüfen ihrer Schwielen. Er hielt die Hand deutlich zu lange fest, um auch nur halbwegs innerhalb der schicklichen Grenzen zu bleiben. Irgendwann löste das selbst Dorothys Starre. Abrupt zog sie die Hand weg und floh einen Schritt rückwärts.
    »Nein!«, sagte sie. »Nein, ich ... ich gehe nicht mit Ihnen ... ich mag Sie nicht!« Erschrocken über ihre eigene Courage senkte sie den Blick.
    »Aber, aber, Dorothy! Du kennst mich doch gar nicht!« Mr. Morrison näherte sich dem Mädchen, das sich unter seinem fordernden Blick zusammenkrümmte – erst recht unter Mrs. Baldwins nachfolgendem

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