Im Land Der Weissen Wolke
mutete altenglisch an. Tatsächlich entpuppte Beasley sich als rotgesichtiger, gemütlicher Herr, der Gwyneira entfernt an ihren Vater erinnerte. Auch er residierte mehr auf seinem Land, als die Scholle mit eigener Hand zu bearbeiten, wobei ihm allerdings das über Generationen gewachsene Geschick des Landadels fehlte, den Farmbetrieb auch vom Salon aus effektiv zu steuern. Seine Auffahrt mochte elegant wirken, doch die Zäune der Pferdeweiden hätten einen Anstrich gebrauchen können. Gwyneira fiel auch auf, dass die Weiden abgefressen und die Wasserbottiche verschmutzt waren.
Über Geralds Besuch schien Beasley sich aufrichtig zu freuen. Er entkorkte gleich seine beste Flasche Whiskey und überschlug sich mit Komplimenten – abwechselnd über die Schönheit Gwyneiras, das Geschick der Hütehunde und die Wolle der Welsh-Mountain-Schafe. Auch seine Frau, eine gepflegte Dame mittleren Alters, hieß Gwyneira herzlich willkommen.
»Sie müssen mir von der Mode in England erzählen! Aber erst zeige ich Ihnen meinen Garten. Ich habe den Ehrgeiz, die schönsten Rosen der Plains zu züchten. Aber ich bin nicht böse, wenn Sie mich dabei übertrumpfen, Mylady! Bestimmt haben Sie die schönsten Stöcke aus dem Garten Ihrer Mutter mitgebracht und waren auf der ganzen Reise mit deren Pflege beschäftigt!«
Gwyneira musste schlucken. Auf den Gedanken, ihrer Tochter Rosenstöcke mitzugeben, war nicht einmal Lady Silkham gekommen. Aber jetzt bewunderte sie pflichtschuldig die Blumen, die denen ihrer Mutter und Schwester aufs Haar glichen. Mrs. Beasley fiel fast in Ohnmacht, als Gwyn dies nichtsahnend erwähnte und dabei den Namen »Diana Riddleworth« fallen ließ. Anscheinend war es für Mrs. Beasley die Krönung ihrer Laufbahn als Rosenzüchterin, mit Gwyneiras berühmter Schwester verglichen zu werden. Gwyneira ließ ihr die Freude. Sie selbst würde bestimmt keinen Ehrgeiz entwickeln, Mrs. Beasley bei Zuchtschauen zu übertrumpfen. Viel mehr als für die Rosen interessierte sie sich ohnehin für die heimischen Pflanzen, die um den gepflegten Garten herum wuchsen.
»Ach, das sind Cabbage-Trees«, erklärte Mrs. Beasley ziemlich desinteressiert, als Gwyneira auf ein palmähnliches Gewächs wies. »Es sieht aus wie eine Palme, soll aber zu den Liliengewächsen gehören. Sprießt wie Unkraut. Passen Sie auf, dass Sie nicht zu viele davon im Garten haben, Kindchen. Auch von dem da ...«
Sie zeigte auf einen blühenden Strauch, der Gwyneira eigentlich besser gefiel als Mrs. Beasleys Rosen. Seine Blüten leuchteten feuerrot, bildeten einen reizvollen Kontrast zu den sattgrünen Blättern und entfalteten sich prachtvoll nach dem Regen.
»Ein Rata«, erklärte Mrs. Beasley. »Sie wachsen wild auf der ganzen Insel. Nicht totzukriegen. Ich muss immer aufpassen, dass sie nicht in die Rosen wuchern. Und mein Gärtner ist keine große Hilfe. Er versteht nicht, warum man manche Pflanzen pflegt und manche ausmerzt.«
Wie sich herausstellte, bestand das gesamte Hauspersonal der Beasleys aus Maoris. Lediglich für die Schafe hatte man ein paar weiße Abenteurer eingestellt, die behaupteten, sich damit auszukennen. Gwyneira sah hier zum ersten Mal einen reinblütigen Einheimischen und war zunächst ein bisschen erschrocken. Mrs. Beasleys Gärtner war klein und stämmig. Sein Haar war dunkel und gelockt, seine Haut hellbraun, im Gesicht jedoch von Tätowierungen verunziert – so jedenfalls empfand es Gwyneira. Dem Mann selbst mussten die Ranken und Zacken wohl gefallen, die er sich unter Schmerzen in die Haut hatte ritzen lassen. Als Gwyneira sich erst an seinen Anblick gewöhnt hatte, fand sie sein Grinsen sympathisch. Er verstand sich auch durchaus auf höfliche Gesten, begrüßte sie mit einer tiefen Verbeugung und hielt den Ladys die Gartentore auf. Seine Kleidung unterschied sich kein bisschen von denen weißer Bediensteter, doch Gwyneira nahm an, dass die Beasleys ihm dies vorschrieben. Vor Erscheinen der Weißen hatten die Maoris sich bestimmt anders gekleidet.
»Danke, George!«, beschied Mrs. Beasley ihm huldvoll, während er das Tor hinter ihr schloss.
Gwyneira wunderte sich.
»Heißt er George?«, fragte sie verblüfft. »Ich hätte gedacht, dass ... aber Ihre Leute sind sicher getauft und haben englische Namen bekommen, nicht wahr?«
Mrs. Beasley zuckte die Schultern. »Ehrlich gesagt weiß ich das gar nicht«, gab sie zu. »Wir gehen nicht regelmäßig zum Gottesdienst. Das wäre jedes Mal eine Tagesreise nach
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