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Im Land Der Weissen Wolke

Im Land Der Weissen Wolke

Titel: Im Land Der Weissen Wolke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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Antwort auf ihre Bewerbung, und ich bin ja auch ohne direkte Verabredung gereist.«
    Die junge Frau nickte. »Ich ebenfalls, mehr oder weniger. Ich habe auch nicht auf eine Anzeige geantwortet. Aber ich war fünfundzwanzig und hatte keine Aussichten auf einen Ehemann. Wie auch, ohne jede Mitgift? Ich lebte bei meinem Bruder und seiner Familie, die er mehr schlecht als recht ernährte. Ich habe versucht, als Näherin dazuzuverdienen, bin aber nicht sehr nützlich. Ich habe schlechte Augen, in den Fabriken wollten sie mich nicht. Dann kamen mein Bruder und seine Frau auf den Gedanken, auszuwandern. Aber was sollte aus mir werden? Wir kamen auf die Idee, dem hiesigen Pfarrer einen Brief zu schreiben. Ob sich nicht ein ordentlicher Christenmensch in Canterbury fände, der eine Frau sucht. Antwort kam von einer Mrs. Brennan. Sehr resolut. Sie wollte alles über mich wissen. Nun, es muss ihr wohl gefallen haben. Jedenfalls bekam ich einen Brief von Mr. Thomas Lorimer. Und was soll ich sagen – ich habe mich sofort verliebt!«
    »Im Ernst?«, fragte Helen, die auf keinen Fall zugeben wollte, dass es ihr nicht anders ergangen war. »In einen Brief?«
    Mrs. Lorimer kicherte. »Oh ja! Er hatte so wunderschön geschrieben! Ich kann die Worte heute noch auswendig: ›Ich sehne mich nach einer Frau, die bereit wäre, ihr Schicksal mit dem meinen zu verbinden. Ich bete zu Gott um ein liebendes weibliches Wesen, dessen Herz meine Worte erweichen können.‹«
    Helen riss die Augen auf. »Aber ... aber das ist aus meinem Brief!«, erregte sie sich. »Genau das hat Howard mir geschrieben! Ich kann nicht glauben, was Sie mir da erzählen, Mrs. Lorimer! Ist das ein böser Scherz?«
    Die kleine Frau blickte betroffen. »Oh nein, Mrs. O’Keefe! Und ich wollte Sie auf keinen Fall verletzen! Ich konnte ja nicht ahnen, dass sie es wiedergetan haben!«
    »Was ›wiedergetan‹?«, fragte Helen, obwohl sie bereits eine Ahnung beschlich.
    »Nun, das mit den Briefen«, führte Christine Lorimer aus. »Mein Thomas ist ein herzensguter Mensch. Wirklich, ich könnte mir keinen besseren Gatten wünschen. Aber er ist Tischler, große Reden schwingt er nicht, und romantische Briefe schreibt er auch nicht. Er sagte, er habe es wieder und wieder versucht, aber keiner der Briefe an mich habe ihm gut genug gefallen, um ihn abzuschicken. Schließlich wollte er mein Herz berühren, wissen Sie. Tja, da hat er sich eben an Vikar Chester gewandt ...«
    »Vikar Chester hat die Briefe geschrieben?«, fragte Helen, die nicht wusste, ob sie lachen oder weinen sollte. Immerhin wurde ihr jetzt einiges klar: Die gestochen schöne Handschrift, typisch für einen Geistlichen. Die wohlgesetzte Wortwahl – und der Mangel an praktischen Informationen, den Gwyneira angemerkt hatte. Und natürlich das auffällige Interesse des kleinen Vikars am Gelingen der Brautwerbung.
    »Ich hätte nicht gedacht, dass sie sich das noch mal trauen!«, meinte Mrs. Lorimer. »Weil ich den beiden natürlich gründlich den Kopf gewaschen habe, als ich von der Sache erfuhr. Oh, es tut mir so Leid, Mrs. O’Keefe! Ihr Howard hätte die Chance haben müssen, es Ihnen selbst zu sagen. Aber jetzt nehme ich mir diesen Vikar Chester vor! Na, der kriegt was zu hören!«
    Resolut setzte Christine Lorimer sich in Bewegung, während Helen nachdenklich zurückblieb. Wer war der Mann, den sie soeben geheiratet hatte? Hatte Chester ihm wirklich nur geholfen, seine Gefühle in Worte zu fassen, oder war es Howard im Grunde egal gewesen, womit er seine künftige Gattin ans Ende der Welt lockte?
    Sie würde es bald erfahren. Aber sie war sich gar nicht sicher, ob sie es wollte.

    Der Karren schaukelte nun seit acht Stunden über schlammige Wege. Helen hatte das Gefühl, die Reise würde niemals enden. Zudem deprimierte sie die endlose Weite der Landschaft. Seit mehr als einer Stunde waren sie an keinem Haus vorbeigekommen. Außerdem war das Fuhrwerk, mit dem Howard seine junge Frau, ihre Habseligkeiten und seine eigenen Einkäufe aus Christchurch Richtung Haldon transportierte, das wohl unbequemste Fortbewegungsmittel, das Helen je benutzt hatte. Ihr Rücken schmerzte von dem ungefederten Sitz, und der beständige leichte Nieselregen verursachte ihr Kopfschmerzen. Howard trug auch nichts dazu bei, ihr die Reise erträglich zu machen, indem er sie ein bisschen unterhielt. Er hatte seit mindestens einer halben Stunde nicht das Wort an sie gerichtet, sondern brummte höchstens mal dem braunen Pferd oder dem

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