Im Land des Eukalyptusbaums Roman
ignorierend, nahm sie das Kind in den Arm.
Sekunden später tauchte Langford im Türrahmen auf. Auf die Entfernung wirkten seine hagere Gestalt und seine spitzen Gesichtszüge grauenerregend. Er schien viel stattlicher, als sie ihn in Erinnerung hatte; die Hände hatte er zu Fäusten geballt und in die Seiten gestemmt. Sein Krückstock war verschwunden, und mit ihm auch der Eindruck eines hilflosen, schwachen Greises.
Langfords blaue Augen glänzten wie Perlen, als er seine Gefangenen musterte wie ein Raubvogel, als fieberte er geradezu darauf, daß sie einen Ausbruchversuch wagten, nur um ihre Hilflosigkeit zu genießen – denn es gab keinen Ausweg.
11
E ine Ewigkeit schien zu verstreichen, während Nola und Langford einander musterten. Nola wollte sprechen, ihn fragen, weshalb er sie eingesperrt hatte, aber sie brachte kein Wort heraus. Endlich war es Langford, der das Schweigen brach. Mit überraschend sanfter Stimme, fast flüsternd, erklärte er: »Ich lasse nicht zu, daß Sie mir Galen wegnehmen!«
Nola fragte sich, ob sie richtig gehört hatte. »Galen wegnehmen?« begehrte sie auf. »Wovon reden Sie überhaupt?«
»Sie sind erst seit kurzer Zeit hier, und schon redet er davon, Reinhart zu verlassen!«
»Das ist das erste, was ich höre ...«
Langford unterbrach sie mit erhobener Stimme. »Er gehört hierher! Ich lasse nicht zu, daß Sie einen Keil zwischen uns treiben. Auch Emily habe ich daran gehindert. Galen ist wie ein Sohn für mich. Mein Stammhalter, der Erbe, den ich nie hatte. Ihn darf ich nicht auch noch verlieren.«
Nola war völlig verwirrt. Das ergab alles keinen Sinn. Sie ermahnte sich, ruhig zu bleiben, schon um ihn nicht unversehens zu reizen. Aus seiner Art zu sprechen schloss sie, daß er dem Wahnsinn nahe war.
Sie mußte ihn beruhigen, mit ihm über seineBefürchtungen sprechen, damit er einsah, wie sehr er sich irrte. »Ich verstehe nicht, weshalb Sie meinen, daß Galen weggehen möchte. Er liebt die Farm. Er würde alles tun, was in seinen Kräften steht, um sie zu retten. Für seine Kinder sieht er nur hier eine Zukunft, besonders für die Jungens. Heath interessiert sich schon jetzt leidenschaftlich für Rinderzucht. Das wissen Sie doch bestimmt!«
»Ich weiß genau, was Sie vorhaben«, gab Langford hart zurück. »Sie denken, ich wäre dumm, so wie Emily damals.« Seine Stimme senkte sich. »Und wie meine Ellen.«
Nolas Herz klopfte wie wild. Langford hatte von ›Ellen‹ gesprochen. Der Name seiner verstorbenen Frau war ›Ellen‹ gewesen. Auf einmal geriet alles ins Wanken, was ihr bislang als völlig sicher erschienen war.
Langford trat ein paar Schritte vor und blieb auf der anderen Seite des Schreibtisches stehen.
»Frauen sind allesamt Lügnerinnen!« Er hieb mit der Faust so fest auf den Tisch, daß Nola zusammenzuckte. Shannon fing an, hemmungslos zu weinen.
Nola drückte das Kind fest an sich. Sie bemühte sich, in möglichst unbeteiligtem Ton zu sprechen, um ihn nicht noch mehr zu reizen.
»Ich habe keinen Grund, Sie zu belügen, Mr. Reinhart. Welchen Zweck sollte das haben? Ich bin hergekommen, um zu unterrichten, sonst nichts. Ich weiß nichts von Ihrem Leben davor, und nichts von dem, was in der Vergangenheit passiert ist. Wie kommen Sie also dazu, mich mit Galens verstorbener Frau zu vergleichen, oder gar mit Ihrer eigenen?«
»Ihr seid doch alle gleich. Emily konnte das Leben hier draußen nicht aushalten, Ellen ebensowenig. DieEinsamkeit ist schuld. Deshalb gehören keine Frauen hierher. Wie oft hab’ ich das Galen erklärt. Ich dachte, er hätte es begriffen!«
»Mir gefällt die Einsamkeit. Nach all dem Hin und Her in der Großstadt genieße ich die Ruhe hier, den Frieden ...«
»Unsinn. Das hat Emily auch immer behauptet. Und dann ist sie nach Winton aufgebrochen und wurde nie mehr gesehen. Galen ist ihr nachgeritten ...« Seine Stimme erstarb, und Nola war ratlos. »Wenn Sie verschwinden, wird Galen auch gehen wollen.«
Nola begriff nicht, worauf er hinauswollte. Sie wollte fragen, weshalb Galen würde gehen wollen, was aus Emily geworden war, aber mit Shannon auf dem Arm ging das nicht. »Lassen Sie Shannon in die Hütte zurück«, bat sie, »dann sind wir unter uns und können uns ungestört unterhalten.«
»Kommt nicht in Frage!« schrie er. Shannon bebte vor Angst. Sie entwand sich Nolas Armen und rannte fast hysterisch aus dem Zimmer.
»Shannon!« rief Nola und stürzte ihr hinterher, aber Langford vertrat ihr den Weg.
»Was haben Sie
Weitere Kostenlose Bücher