Im Land des Eukalyptusbaums Roman
verlassen, sich davonstehlen mit ihm!« Zwei einsame Tränen rannen ihm über die Wangen.
Plötzlich verspürte Nola Mitleid mit ihm. Sie mußte an die Billets denken. Offenbar waren sie von Ellen verfaßt, nicht von Emily.
»Die Bücher«, begann sie, »die Bücher im Schulhaus. Gehörten sie einst Ellen?«
Er ließ den Kopf hängen und gab keine Antwort. Das war auch gar nicht nötig. Die Regale seines Arbeitszimmers waren leer, weil er sämtliche Bücher abgeräumt und weggepackt hatte. An ihnen haftete die Erinnerung, wie an einzelnen Möbelstücken, an Schmuck und Porzellan.
Langford trat an den obersten Treppenabsatz undblickte hinunter wie so viele, viele Male schon. Jedesmal, wenn er dort stand, holte ihn die Erinnerung ein. Man konnte es ihm ansehen, erkannte es an seiner plötzlichen Blässe, an seiner gebückten Gestalt. Alles an ihm schrie geradezu nach Tragödie. Nola fürchtete schon, er werde sich die Treppe hinunterstürzen, seinem Leben ein Ende machen. Aber dann verwarf sie den Gedanken wieder. Warum sollte er das ausgerechnet jetzt noch versuchen, nach all den Jahren?
Sie stand am Geländer, beobachtete ihn und wartete. Sie wollte von ihm erfahren, was damals geschehen war. In seinem Gesicht arbeitete es; Myriaden von Gefühlen wechselten einander ab. Er tastete nach dem Griff des Geländers und hielt sich fest, umklammerte es, bis seine Knöchel weiß wurden, während die Bilder der Erinnerung seinen Geist überschatteten.
Nola wurde durch das Geräusch von Schritten abgelenkt.
Shannon rannte schluchzend zum Fuß der Treppe. »Ich sehe Rauch aus dem Dach der Hütte kommen, Miss Grayson. Ich habe Angst. Ich will, daß mein Papa wiederkommt.«
Nola stöhnte. »Mein Gott! Ich hab’ das Brot noch im Ofen. Wahrscheinlich brennt die Hütte!«
Langford hörte gar nicht hin. Er war nicht mehr bei Sinnen. »Du darfst nicht gehen. Ich lasse dich nicht fort!« kreischte er.
»Ich muß aber!« schrie Nola zurück. »Begreifen Sie nicht? Die Hütte steht in Flammen!«
»Ich werde dich niemals mit ihm gehen lassen!« brüllte Langford. »Niemals!«
Nola blickte von Shannon zu Langford, aber der starrte ins Leere. Seine Worte jagten Shannon Angst ein, und sie rannte zur Vordertür, trommelte mit ihren kleinen Fäusten dagegen und versuchte vergebens, den Türknauf zu drehen. Nola versuchte, Langford beiseite zu drängen, um ihr zu Hilfe zu eilen, aber der alte Mann stemmte sich dagegen. Mit nahezu übermenschlichen Kräften hielt er sie am Handgelenk fest. Nola sah zu Shannon hinüber, bemerkte die Panik in ihrem Blick. Dann zeichnete sich eine Silhouette im Fenster neben dem Haupteingang ab. Jemand stand draußen vor der Tür.
»Nola!« rief eine dumpfe Stimme. Galen war es nicht, auch nicht Hank.
Schreiend schlug Shannon immer noch gegen die Tür, rief nach ihrem Vater.
»Du darfst nicht gehen!« heulte Langford und hielt Nola umklammert.
»Lassen Sie mich los, verrückter alter Mann! Die Hütte brennt. Ich muß hin, bevor sich das Feuer ausbreitet.«
Draußen begann der Mann gegen die Türe zu treten, um das Schloß aufzubrechen. Nola bäumte sich verzweifelt gegen Langfords Griff auf, aber er hielt ihren rechten Arm, der noch immer geschwächt war durch die Schußverletzung. Vor Schmerz wurde ihr beinahe schwarz vor Augen.
»Ich liebe dich, Ellen!« schrie er. »Du darfst nicht gehen. Ich lasse dich nicht weg!«
Mit einem Mal gab die Tür nach. Grelles Sonnenlicht fiel herein und umrahmte die Silhouette von Wade Dalton.
»Du!« Langford schwankte, wurde puterrot, und Schweiß trat auf seine Stirn. Die Vergangenheit holte ihn ein, mit allen Ängsten, allen Gefühlen. Der Schmerz, so überwältigend, wurde unerträglich; diesmal würde er die Frau nicht verlieren, die er mehr liebte als sein eigenes Leben. »Raus!« herrschte er den Fremden an. »Raus! Meine Ellen wirst du mir nicht nehmen.«
»Laß sie los, Langford! Die Hütte brennt.«
Nola sah erst Wade an, dann Langford. Sein Gesicht wurde aschfahl. Er trat einen Schritt nach vorn, an die Kante der obersten Stufe, und seine Knie gaben nach. Nola wollte ihn greifen, ihn festhalten, den gefährlichen Sturz verhindern, aber sie stolperte und wäre beinahe selbst hinuntergestürzt. Ans Geländer geklammert, mußte sie hilflos mit ansehen, wie er sich überschlug. Wie in einem entsetzlichen Alptraum rollte er fast wie in Zeitlupe nach vorn und polterte ins Treppenhaus hinunter. Wade schoß vor, die Stufen hinauf. Doch der Sturz riß
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