Im Land des Eukalyptusbaums Roman
weggelaufen, weil sie sich aufgeregt hat, daß Langford Miss Grayson von der Farm vertreiben wollte. Dadurch habe ich erkannt, daß bei dem Leben hier draußen ihre natürlichen Anlagen verkümmern. Mit einer Frau aufzuwachsen, die ihr die Mutter ersetzt, und andere Mädchen zum Spielen zu haben, wäre genau das richtige für sie. Ich war überzeugt, das Leben hier draußen sei zu rauh für eine feine Dame aus der Stadt. Aber vielleicht habe ich mich geirrt.«
Heath war älter als sein Bruder und seine Schwester, und konnte sich daher besser an den Verlust seiner Mutter erinnern. Er wußte, weshalb sein Vater meinte, die Lebensbedingungen im Outback seien unerträglich für Frauen. »Hast du deine Meinung über Miss Grayson geändert?« hakte er nach. »Glaubst du jetzt, daß sie hier draußen zurechtkommen wird?«
»Es ist zu früh, um abschließend darüber zu urteilen, mein Sohn. Jedenfalls gibt sie sich alle Mühe, und mehr können wir nicht verlangen. Manchen Frauen wird dies Leben hier sicherlich gnadenlos erscheinen, aber ich hätte nicht unterstellen sollen, daß dies für alle Frauen gilt. Shannon braucht weibliche Gesellschaft, um ihre Identität zu finden. Eines Tages, und der Tag wird schneller kommen, als ich mir jetzt vorstellen kann, wird Shannon zur Frau herangereift sein. Andere Kinder auf denumliegenden Gütern haben ihre Mütter gehabt, manchmal auch Schwestern oder Kinder von Aborigines. Wenn ich darüber nachdenke, was ich in letzter Zeit nicht oft getan habe, hatte Shannon nichts als Zureiter, Viehtreiber, Jackaroos und uns. Keine anderen Kinder von gleichem Geschlecht, und keine Frauen.«
»Wir haben sie doch gern und spielen auch mit ihr, wenn wir können!« widersprach Heath.
»Weiß ich, mein Sohn. Wir haben unser Bestes getan, aber das reicht nicht aus. Unbewußt haben wir sie wie einen Jungen behandelt. Es ist eher mein Fehler gewesen als eurer. Nie habe ich ihr irgendwelche Mädchensachen gekauft, bevor ... Sie ist schon fast fünf, und Miss Grayson merkte erst, als sie ihr die Kleider auszog, daß sie ein Mädchen war. Was meint ihr, wie mir das zusetzt?! Ich muß mich diesen Fragen jetzt stellen, obwohl ich eigentlich schon lange ahne, daß sie auf mich zukommen würden. Shannon braucht eine Frau, um erwachsen zu werden. Ein Vorbild. Ich dachte, ich könnte ihr Vater und Mutter ersetzen, aber ich habe mich geirrt. Sie braucht eine Vertraute, mit der sie ihre Sorgen und Nöte besprechen kann, jemand, der sie anleitet, wie nur eine Frau es vermag.« An das, was er selbst entbehren mußte, wollte er gar nicht erst denken.
»Sie mag Miss Grayson, aber sie wird eines Tages wieder weggehen. Und wenn es soweit ist, müssen wir dann in die Stadt?«
Galen nahm seinen Hut ab und wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn. Hank bemerkte es, und ihm schwante, welche Bürde Galen auf sich genommen hatte, seine drei Kinder allein großzuziehen. Galen hatte geglaubt, Nola könne ihm einen Teil dieser Lastabnehmen, aber inzwischen war die Lösung ein Teil des Problems geworden. Shannon fühlte sich von Nola Grayson sehr angezogen.
»Was in der Zukunft wird, weiß ich nicht, Heath. Im Augenblick müssen wir all unsere Kräfte und unsere Zeit der Rettung der Farm widmen.«
Jimmy näherte sich ihnen mit dem Ochsenziemer in der Hand. »Bringen wir die Herde noch immer nach Maryborough, Boss?«
»Ja, Jimmy. Morgen früh geht es los.«
»Und was ist mit Mr. Reinhart?« fragte Keegan. »Wer kümmert sich inzwischen um ihn?«
»Miss Grayson und Wade Dalton.«
Die Jungen blickten einander verständnislos an.
»Gibt ein Problem, Boss«, unterbrach Jimmy.
Galen warf ihm einen Blick zu, und die Schweißperlen liefen ihm die sonnenverbrannten Schläfen herab. »Worum geht’s, Jimmy?«
»Stammesleute gehen auf Wanderschaft. Jack sucht nach ihnen. Wenn er kann finden, bringen zurück.«
Galen seufzte, ganz und gar nicht überrascht, aber zutiefst enttäuscht. Den Zeitpunkt hätten sie nicht schlechter wählen können. Damit fehlten ihm plötzlich fünf Männer. Ihm kam in den Sinn, was Nola gesagt hatte. So weit war er nun gekommen im Kampf um die Farm. Jetzt durfte er nicht mehr aufgeben. »Das wird Jack wohl kaum gelingen, Jimmy.« Er wandte sich seinen Söhnen zu. »Sieht aus, als wenn ihr beiden Grünschnäbel euch auf euren ersten großen Rindertreck vorbereiten solltet.«
Keegan und Heath grinsten einander verschwörerisch an.
Wie aufgeregt sie waren, war Galen nicht entgangen.
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