Im Land des Eukalyptusbaums Roman
seine Ländereien schweifen, sein geliebtes Reinhart-Land, das jetzt wieder still und friedlich im Morgenlicht lag. Nola wußte, daß er nichts mehr dazu sagen würde.
Langford dachte, wie herrlich es war, wieder mal draußen zu sein. Das Panorama vor der Veranda hatte ervermißt in seinem Zimmer da oben. Trotz der furchtbaren Dürreschäden war es noch immer ein erhebender Anblick. Im Stillen beschloß er, nie wieder einen Sonnenaufgang zu verpassen, auch kein Abendrot mehr. Nie wieder!
Nola beobachtete ihn aus den Augenwinkeln. Sie hatte den Eindruck, daß Langford von heute an ein anderer Mensch sein würde. Die Nähe des Todes hatte ihn gelehrt, das Leben wieder zu schätzen.
Sie beugte sich vor und legte ihre Hand auf seine. »Es ist wirklich wunderbar, hier zu sein!« versicherte sie.
Der Nachmittag wurde heiß, aber im aus Stein erbauten Schulhaus blieb es überraschend kühl. Nach der durchwachten Nacht fühlten sich alle ein wenig mitgenommen. Shannon und Tilly hatten zuerst ein wenig im Schulhaus gespielt, bevor sie auf den Betten einschliefen. Die Frauen blieben im Haupthaus und kochten das Abendessen. Sie weigerten sich den ganzen Tag standhaft, das Haus zu verlassen. Nola blätterte in ihren Schulbüchern nach interessanten Geschichten für Shannon. Ohne Breeches und Hemd legte sie sich neben die Kinder, ein Buch in der Hand, aber bald war auch sie eingenickt.
Sie schreckte hoch, als sie glaubte, ein merkwürdiges Geräusch zu vernehmen. Shannon schlief ruhig neben ihr, aber Tilly war fort, offenbar auf der Suche nach ihrer Mutter.
»Das wird Wade gewesen sein«, dachte Nola. Er arbeitete noch immer bei der Hütte. Einen Moment lang betrachtete sie Shannon, die friedvoll weiterschlief nach dieser unruhigen Nacht. Dann schloß auch Nola wieder die Augen.
Wenig später legte sich eine rauhe Hand auf ihren Mund. Sie blickte auf und starrte in das furchterregendste Gesicht, das sie je gesehen hatte. Es war das Gesicht eines Aborigines, der Stirn und Oberkörper mit ockerfarbenen Zeichen bemalt hatte. Die dunkeln Augen waren weit aufgerissen und wachsam und funkelten von abgrundtiefem Haß. Mit einer Bewegung seines starken Arms zerrte er sie aus dem Bett ans offene Fenster, die andere Hand verschloß ihr die Lippen. Nola wehrte sich nach Leibeskräften, trat und kratzte ihn, aber er war zu stark für sie. Er stieß sie durch das Fenster, und sie schlug mit dem Kopf so heftig gegen das Fensterbrett, daß sie das Bewußtsein verlor.
Nola merkte kaum, wie sie durchs offene Fenster gezerrt und verschleppt wurde. In ihrer Ohnmacht wurde sie halb getragen, halb durch den glühend heißen Sand geschleift, der ihre Haut an den Füßen und Unterschenkeln verbrannte. Rund hundert Meter entfernt vom Anwesen warf er sie unter einen Baum. Noch immer benommen und desorientiert, blickte sie auf und sah, wie ihr Entführer nach irgend etwas Ausschau hielt. Sie flehte zu Gott, daß er die Frauen und Tilly nicht entdeckt hatte. Vielleicht ahnte er nicht, daß sie sich auf dem Anwesen aufhielten, sonst hätte er sicherlich nicht ausgerechnet sie mitgenommen. Voller Panik dachte sie an Shannon – was würde sie denken, wenn sie aufwachte und merkte, daß sie alleine war?
»Ich darf Shannon nicht alleinlassen«, sagte sie laut, aber niemand hörte ihr zu. Ihr Entführer hatte ihr die Hände gefesselt und mit einem langen Seil verknotet. Wieder starrte er in die Ferne, bevor er sich in Bewegung setzte und Nola auf ihre Füße zerrte.
»Nein, halt!« schrie sie.
Er drehte sich um und stürmte auf sie zu, die Faust drohend erhoben. Sein Arm verhielt in der Luft, knapp vor ihrem Gesicht, als sie sich duckte.
Nola fing an zu schluchzen. »Bitte. Lassen Sie mich zu dem Kind zurück!«
Ihre Beschwörungen wurden mit offener Feindseligkeit erwidert. Der Aborigine brüllte sie in seiner fremdartigen Sprache an und deutete nach Osten, weit weg vom Anwesen. Wieder schrie er und hob drohend die Faust. Nola wurde klar, daß sie sich fügen und mitgehen mußte, wenn ihr das Leben lieb war. Wieder marschierte er los und zerrte sie hinter sich her. Der trockene, heiße Boden schmerzte ihr an den Fußsohlen, die scharfen Stacheln von Disteln und Gestrüpp verletzten das weiche Fleisch, das zu bluten begann. Ohne Kopfbedeckung ließ die Glut der Sonne sie beinahe erblinden. Mehrere Male brach sie in die Knie, aber das konnte ihren Kidnapper nicht aufhalten, der achtlos weiterlief. Wenn sie das Gleichgewicht verlor, schleifte er sie
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