Im Land des Eukalyptusbaums Roman
erkannte, daß es angesengte Federn waren.
»Ach ja?« Sie gab sich alle Mühe, ihren Abscheu zu verbergen. »Wie fängt und kocht man so einen großen Vogel?«
»Emu machen viel Lärm. Läßt sich leicht reinlegen. Mann liegt am Boden, so« – er demonstrierte es, indem er mit den Füßen in der Luft strampelte. »Emu kommen, sehen nach. Andere Männer verstecken, springen auf und erschlagen mit Bundi. Gibt gutes Essen!«
Die Frauen lachten. Mirijula starrte noch immer ins Feuer.
»Emu in Erdloch gekocht. Eine Grube wird ausgehoben, Feuer unten angemacht. Wenn viel Asche und heiße Kohle, gerupfter Vogel in Grube gelegt. Heiße Steine, in Laub gewickelt, in den Emu gelegt, heiße Kohle und Asche von anderem Feuer oben drauf. Vogel ganz mit Blut eingeschmiert. Erde oben drauf, Emu kocht. Schnabel und Beine ragen aus Erdboden hervor. Wenn Rauch kommt aus Schnabel, Vogel ist gar!«
So sehr sich Nola auch für die Gebräuche der Aborigines interessierte, ihr Appetit war ihr jetzt vollkommen vergangen.
»Gibt es ein Ritual, sich das Fleisch aufzuteilen?« erkundigte sie sich und legte ihre Portion vorsichtig neben sich, wo einer der räudigen Hunde sie sich sicherlich schnappen würde.
Er nickte. »Älteste kriegen bestes Fleisch, wie Schwanz.Jüngste das zähere Fleisch. Kindern sagt man, wenn Schwanz essen, ihr Haar wird grau.«
Nola warf einen Blick zu Mirijula. »Dann kann er kein besonders braves Kind gewesen sein«, raunte sie, und Jack lachte schallend. Mirijula schnatterte jetzt heftig los, und Nola erstarrte.
»Übersetz ihm nicht, was ich gerade gesagt habe«, flehte sie. »Bitte, Jack! Er wird beleidigt sein.«
Jack wandte sich Mirijula zu und redete in der Wana-Mara-Sprache. Nola wartete auf Mirijulas Reaktion. Er sah sie mit dunklen Augen durchdringend an, und sie rang sich ein Lächeln ab, um die peinliche Situation zu überbrücken.
»Es sollte bloß ein Witz sein«, entschuldigte sie sich, obwohl er sie ja doch nicht verstand. Plötzlich brüllte Mirijula vor Lachen. Alle andern ringsum stimmten ein, und berichteten denen, die weiter wegsaßen, von Nolas Bemerkung. Bald lachte der ganze Stamm.
Später boten sie Nola ›Steintee‹ an, der ihr vorzüglich schmeckte. Sie hatte verfolgt, wie die Frauen ihn zubereitet hatten, und Jack erklärte ihr, daß man ihn nur trank, wenn es etwas zu feiern gab, beispielsweise einen hohen Besuch wie der ihre. Nola fühlte sich sehr geehrt. Heiße Steine wurden in ein Gefäß mit Wasser gelegt und Kräuter hinzugegeben. Dann ließ man das Ganze eine Weile ziehen. Während sie ihren Tee trank, erkundigte sich Nola, aus welchem Material das ›Gefäß‹ gefertigt war. Es war nicht getöpfert, und nach gegerbter Haut sah es auch nicht aus.
»Tierblase«, erklärte Jack, und sie hätte sich beinahe verschluckt.Zwei Stunden später war Nola zum Umfallen müde, aber sie hatte den Besuch wirklich genossen. Sie hatte den Geschichten von den Sternen und vom Mond gelauscht, der nach Meinung der Aborigines einst als Mensch gelebt hatte und nachts herauskam, um über das Volk zu wachen, bevor sein Geist wieder in die Erde zurückkehrte. Sie hatten sich über die Jahreszeiten unterhalten, die von den Aborigines wahrgenommen wurden durch das Wachsen oder das Welken bestimmter Früchte und Pflanzen. Den Frühling genossen sie, weil es zahlreiche reife Früchte gab und die Tiere sich frei bewegten. Der Herbst war die Zeit des Welkens und des Mangels an Nahrung. Sie waren ein Volk, dessen Leben nicht von der Zeit bestimmt war. Wenn ein besonderer Zeitpunkt benannt werden mußte, bezogen sie sich auf die vier Phasen des Mondes. Nola erzählten sie Geschichten von den Sternen, von ihren Mythen und ihrer ›Traumzeit‹, als alles anfing. Sie glaubten, daß der Mensch eins sei mit dem Land, das sie für geheiligt hielten. Alles kehrte in die Erde zurück. Wenn das Lager abgebrochen wurde, hatte Jack ihr berichtet, würde niemand mehr erkennen, daß sie dagewesen waren, weil alles, was sie benutzten, dem Land zurückgegeben wurde. Ganz anders als die weißen Siedler, dachte Nola.
Nola war fasziniert von einer Steinaxt, die neben Mirijula lag. Als sie die Hand danach ausstreckte, faßte Jack sie beim Arm.
»Nicht berühren, Missus«, warnte er. »Eine ›Wilida‹ kann nur von besonderen Leuten benutzt werden.«
»Warum das denn?« erkundigte sich Nola.
»Ein Zauber. Mirijula sie nachts von einem Geistbekommen. Mit ›Wilida‹ reicht ein einziger Schlag, um zu töten.
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