Im Land des Falkengottes. Amenophis
durch diesen Schritt zu beleidigen.»
«Das höre ich gerne.» Fürst Imresch nickte mir zufrieden zu. «Man wird eben die Zwischenzeit sinnvoll überbrücken müssen», gab er weiter zu bedenken.
«Ich dachte mir, dass an unseren Hof eine Adresse ergeht, in welcher eine Delegation Pharaos an den Euphrat eingeladen wird, um die Freundschaft und vor allem den Handel zwischen unseren Ländern mit Leben zu erfüllen. Es wird wohl eine Weile dauern, bis eine entsprechende Einladung Eures Königs im Großen Haus eingegangen sein wird. Ehe dann bei uns ein Beschluss gefasst und eine Delegation gebildet ist, vergehen wieder einige Monate. Schließlich werde ich mich, werden sich unsere Abgesandten auf den Weg nach Babylon machen. Pharao hat mir erlaubt, für längstens sechs Monate bei Euch zu verweilen.»
Ich erhob den Becher, hielt ihn meinem Gast entgegen und sagte: «Auf Euren Ka, Fürst Imresch!»
«Auf Euren Ka, Eje!»
«Erlaubt Ihr mir eine Frage, Fürst», nahm ich das Gespräch wieder auf, nachdem wir getrunken hatten. «Was stellt dieser ungewöhnliche Gegenstand dar, den Ihr an Eurer Kette tragt?»
«Bei uns in Babylon siegelt man von alters her Schriftstücke nicht mit einem Ring wie bei Euch, sondern mit diesem Rollsiegel,das man über den feuchten Ton der Schreibtafeln abrollt.»
Imresch nahm das Siegel von der Kette ab und hielt es mir entgegen. Ich erkannte einige aus dem Karneol herausgearbeitete Menschengestalten, einen geflügelten Stier und eine Reihe von Schriftzeichen. Langsam entzifferte ich Schriftzeichen für Schriftzeichen: Das ist das Siegel des Imresch, Sohn des Schemalasch.
Mein Gast erzählte mir an diesem Abend noch manche Geschichte aus seinem Leben und von Babylon. Er erzählte von den Tempeln und Palästen, den Gärten, die nach seinen Worten noch prächtiger waren als die Pharaos. Er beschrieb mir König Kurigalzu und berichtete von dessen Heldentaten im Kampf gegen die kriegerischen Hethiter. Zuletzt gab er mir sein Versprechen, sich umgehend um die Einladung seines Herrschers zu bemühen.
Ich konnte meine Abreise nach Babylon kaum erwarten.
In den nächsten Tagen drehte sich in Men-nefer, nein, drehte sich in ganz Unterägypten alles um die bevorstehende Heirat Nimurias mit meiner Schwester, um deren Erhebung zur Großen königlichen Gemahlin. Von überallher wurden Stiere, Kälber, Gänse und Enten in die Stadt gebracht, rollten Karren, bis oben hin voll beladen mit Weinkrügen, durch die Palasttore, und allerorten wurde Bier gebraut. Das Große Haus versandte Einladungen in alle Himmelsrichtungen, und Men-nefer wurde von Tag zu Tag lebhafter. Nimuria überlegte, wie er möglichst vielen Menschen in allen Städten und Dörfern des Landes die Erhebung Tejes zur Großen königlichen Gemahlin mitteilen konnte. Vater hatte die Idee, aus Ton Heilige Käfer anfertigen zu lassen, auf deren Unterseite die Botschaft von der Heirat zu lesen war:
«Es lebe Horus, Starker Stier, erschienen in Wahrheit, derdie Gesetze festigt und die Beiden Länder beruhigt, groß an Kraft, der die Asiaten schlägt, König von Ober- und Unterägypten, Herr der Beiden Länder, Neb-maat-Re, Sohn des Re, Amenophis, Herrscher von Waset, dem Leben gegeben wurde. Die Große königliche Gemahlin Teje, sie lebe. Der Name ihres Vaters ist Juja, der Name ihrer Mutter ist Tuja. Sie ist die Gemahlin des starken Königs, dessen südliche Grenze bis Karai reicht, dessen nördliche bis Mitanni.»
Mein Vater führte jetzt den Titel Gottesvater.
Handelskarawanen, Pilgerreisenden, Beamten und Offizieren, die eine dienstliche Reise zu unternehmen hatten, wurden die hellblauen, fingerlangen Käfer mitgegeben, um sie Bürgermeistern, Domänenvorstehern, Priestern und befreundeten Herrschern zu überbringen. Das erste und schönste Exemplar bekam Teje. Es war ein Käfer aus Elektron, jener kostbaren Mischung aus Gold und Silber, und die heiligen Schriftzeichen waren in blauem Lapislazuli, dem Lieblingsstein Nimurias, eingelegt. Zeit ihres Lebens trug Teje diesen Anhänger an einer eng anliegenden goldenen Kette um ihren Hals.
Der Tag des großen Festes begann im Tempel des Ptah, wo Nimuria gemeinsam mit den Großen des Landes Opfer darbrachte. Danach zog die Versammlung in die Große Halle des Palastes. Zum Klang Hunderter Fanfaren nahm Amenophis auf seinem Thron Platz, während sich alle Anwesenden zu Boden warfen. Auf zwei kleineren Thronen zu seiner Linken saßen seine Mutter Mutemwia und Iaret, der Thron zu seiner
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