Im Land des Falkengottes. Amenophis
und gesund, enden!»
Ich hielt ihm meinen Weinbecher entgegen und sagte: «Auf Euren Ka!»
«Auf Euren Ka und Euer Land», erwiderte er. «Ich wollte Euch schon bei unserem letzten Zusammentreffen sagen, dass Ihr unsere Sprache sehr gut beherrscht, Eje!»
Ich wusste, dass er mir nur schmeichelte, denn mein Akkadisch war alles andere als gut und mein Wortschatz bescheiden.
«Wir Ägypter sind ein seltsames Volk», begann ich. «Wir lernen Akkadisch, damit unsere Sprache nicht bei den Fremdländern gesprochen werden muss. Wir schreiben unsere gesamte Auslandskorrespondenz in eurer Schrift, damit unsere Heiligen Zeichen das Land nicht verlassen müssen, und wir behaupten, Euphrat und Tigris würden in die verkehrte Richtung fließen, nur weil sie nicht wie der Nil nach Norden, sondern nach Süden laufen.»
«Ich sehe das anders, Eje. Was ist es denn, was ein Volk kennzeichnet, was es liebenswert macht und interessant? Es ist nicht alleine seine Macht, nicht sein Reichtum und seine Größe. Es ist allein seine Kultur. Und dazu gehört auch der Umgang mit der Vergangenheit, dem eigenen Herkommen. Ich bewundere eure Künstler. Seit urewigen Zeiten bilden sie eure Herrscher ab, wie sie es heute noch tun: die Pharaonen als jung gebliebene, starke Männer, mit Bart und Krone, und in der Hand die Keule, welche die Feinde niederschlägt, gleich, wie alt sie tatsächlich sind. Der Oberkörper wird stets von vorne gezeigt, Beine, Hüften und Gesicht von der Seite. Ist die Art der Darstellung deswegen falsch? Wie ihr heute schreibt, entspricht nicht mehr der Sprache, die ihr tatsächlich sprecht. Doch niemand würde es wagen, die Anordnung der Schriftzeichen der gesprochenen Sprache anzupassen. Die Ehrfurcht vor eurer großen Vergangenheit verbietet es euch, daran etwas zu ändern, weil man sonst unterstellen könnte, an dem Überkommenen müsste etwas Falsches, ja Schlechtes gewesen sein. Es ist nur wichtig, dass die Menschen den Grund, weshalb man an etwas Überkommenem festhält, auch verstehen. Tun sie es, dann sind sie selbstbewusst, dann zeigen sie Größe. Tun sie es nicht, werden sie sich bald über die eigeneVergangenheit, das eigene Herkommen lustig machen, ihre Kultur nicht mehr begreifen und schließlich zu Grunde gehen, weil auch die anderen Völker jeden Respekt vor einem solchen Volk verlieren.»
Ich war erstaunt über das Wissen Imreschs und seine Einstellung unserer Kultur gegenüber.
«Ich stimme Euch grundsätzlich zu, Fürst Imresch. Aber das blinde Festhalten an allem Vergangenen kann auch nicht richtig sein. Wir werden eines Tages unsere Schrift der Sprache anpassen müssen, weil man uns sonst nicht mehr ernst nimmt. Auch in der Kunst wird sich Vieles ändern. Aber das sind Dinge, die lassen sich nicht von heute auf morgen durchführen. Das ist eine Leistung, die vieler Jahre bedarf – und weiser Herrscher.»
Während wir aßen, erzählte mir mein Gast viel über sein Land, über dessen Geschichte und Wirtschaft, dessen Herrscher und das Volk.
«Die Verbindung zu Eurem Land ist noch nicht sehr alt, Eje. Euer König Thutmosis Men-cheper-ka-re traf sich vor mehr als sechzig Jahren mit unserem damaligen Herrscher Karaindasch, nachdem Pharao anlässlich eines Feldzuges in Nordsyrien den Euphrat überquert hatte. Damals wurden viele Geschenke ausgetauscht, und seit diesen Tagen unterhalten unsere Länder eine freundschaftliche Beziehung. Sein Nachfolger Kurigalzu entsandte eine Tochter zu Pharao Amenophis Aa-chepru-re, dem Großvater Eures königlichen Freundes Nimuria, der sie zu einer Nebengemahlin machte.»
«Und jetzt sind wir beim eigentlichen Zweck unserer Zusammenkunft angelangt, Fürst Imresch», stellte ich ganz sachlich fest.
«Wenn Ihr so wollt, Eje, ja. Ich hoffe aber, wir sehen uns auch ohne geschäftlichen Hintergrund noch öfter!»
«Das wünsche ich mir auch! Doch nun hört: Ich bin einschlechter Diplomat, und daran wird sich wohl auch nichts ändern. Deswegen will ich offen mit Euch reden …»
«Ihr unterstellt also, dass Diplomaten nicht offen reden», unterbrach er mich und spitzte wieder die Lippen.
«So war das natürlich nicht gemeint. Ich will es nur gleich auf den Punkt bringen: Mit Nimuria habe ich bereits gesprochen. Grundsätzlich begrüßt er eine Verbindung mit einer Tochter Eures Herrschers Kurigalzu. Ihr habt aber gewiss Verständnis dafür, dass man damit noch eine Weile warten muss, um meine Schwester Teje, die bald Große königliche Gemahlin sein wird, nicht
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