Im Land des Falkengottes. Amenophis
üblich, dass die Könige unseres Landes Töchter fremder Herrscher zu Nebenfrauen machen. Und außerdem: Wir beide brauchen niemandem zu sagen, dass dies ein Teil deines Auftrages ist. Auch Fürst Imresch wird gut daran tun, Stillschweigen zu bewahren, liegt es doch ausschließlich an mir, wann ich eine Tochter Kurigalzus nach Men-nefer oder Waset kommen lasse. Der offizielle Zweck deiner Reise wird ein anderer sein.»
«Aber welcher?», fragte ich ohne jede Ahnung.
«Lass mich in Ruhe darüber nachdenken, mein Freund. Aber eines versprichst du mir: Länger als ein halbes Jahr bleibst du nicht in Babylon, dein Ehrenwort darauf!»
«Mein Ehrenwort!»
«Darf ich dich noch etwas fragen?»
Ameni nickte knapp.
«Woher wusstest du überhaupt, wohin Senu und ich gefahren sind?»
«Ich wollte dich gestern Abend noch besuchen, und hörte von deinen unmöglichen Auftritten, erst mit Cheruef und dann mit Nefta. Sie war es auch, die heute morgen zu mir kam und mir berichtete, dass du mit Senu wegfuhrst. Irgendein Gefühl sagte mir, dass es besser ist, dir mit ein paar Soldaten zu folgen. Wärst du nur in irgendeine Herberge zu einem Mädchen gefahren oder zu einer deiner Lagerhallen, wären wir wieder umgekehrt. Aber bald merkte ich, wo deine Reise hingehen würde. In einer der letzten Beratungen, an der du nicht teilgenommen hattest, berichtete man mir, dass im Steinbruchgelände von Tura eine gefährliche Bande Unterschlupf gefunden hat. Umso mehr Anlass hatte ich, dir zu folgen. Wir konnten dich aber vor dem Steinbruch nicht mehr aufhalten, weil du einfach zu schnell warst. Deswegen ließen wir weiter draußen die Wagen stehen und schlichen uns an. Dass wir nicht mehr viel Zeit hatten, hast du ja selbst gesehen.»
Ich schüttelte ungläubig den Kopf und sagte zu ihm:
«Und dann auch noch zu treffen …»
Ein Hauptmann der Leibgarde warf sich vor Pharao nieder und berichtete, dass es neben den acht Toten weiter keine Überlebenden gäbe, dass man in einer Felsnische das Versteck der Bande und davor deren Pferde gefunden habe. Nimuria und ich ließen uns den Weg zeigen und betraten die kleine Höhle. In einer unauffälligen Holztruhe lagen mehr als zwanzig goldene Amulette, wie man sie Toten bei der Einbalsamierung mitzugeben pflegt, Armreifen und Ringe. In einer kleinen Nebenhöhle fanden wir die Reste zerstückelter einbalsamierter Leichen. Es war das Versteck von Grabräubern.
Auf der anderen Seite des Flusses, jedoch nicht weit von hier, lag die Totenstadt von Saqqara mit den mächtigen Grabbauten längst verstorbener Pharaonen und den unzähligen Gräbern ihrer Beamten. Nimuria befahl dem Hauptmann, die Truhe zu seinem Streitwagen zu bringen. Als er zurückgekehrt war, sagte Pharao mit ruhiger, aber sehr ernster Stimme zu ihm: «Hauptmann! Du wirst mit deinen Männern nun die Überreste dieses menschlichen Abschaums mit euren Schwertern und Streitäxten in Stücke hauen. Kopf, Arme und Beine werden vom Rumpf abgetrennt und das Herz herausgerissen. Mit dem Dreck, der in dieser Höhle herumliegt, macht ihr ein Feuer, in welchem ihre Herzen und die Köpfe verbrannt werden. Den Rest dieser Kreaturen verteilt im Umkreis von zwanzig Aruren, damit er von Schakalen und Geiern gefressen werde! Nichts soll mehr an diese Verbrecher erinnern, das Andenken an sie sei ausgelöscht in alle Ewigkeit!»
Schweigend blieb Amenophis vor der Höhle stehen und sah zu, wie die Soldaten seinen grausamen Befehl ausführten, Schritt für Schritt, bis alles geschehen war, wie er es wollte. Zuletzt ließ er die Pferde der Verbrecher in die Wüste jagen,damit sie dort elend zu Grunde gingen, denn nicht einmal sie sollten von den Grabschändern übrig bleiben oder an sie erinnern.
Schweigend und ohne Eile kehrten wir am frühen Abend nach Men-nefer zurück. Zwischen Ameni und mir herrschte größeres Einvernehmen denn je. Niemand sollte erfahren, was an diesem Tag geschehen war.
Zum zweiten Mal war ein Mensch vor meinen Augen gestorben, war ein Leben zu Ende gegangen. Immer wieder erschien vor meinen Augen das Bild, wie er mit seinen Händen nach dem Pfeil griff, der in seinem Hals steckte, und mit starrem Blick vor mir zusammensank. Das Ende dieses Menschen berührte mich auf eine bestimmte Weise, aber ich konnte kein Mitleid mit ihm empfinden. Noch nie in meinem Leben wurde ich so in Todesangst versetzt, wie an diesem Tag. Wie viele Menschen waren tatsächlich durch diesen Verbrecher ermordet worden?
Ich redete mir ein, dass er
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