Im Land des Falkengottes. Amenophis
sagte mir, dass es besser sei, wenn ich mir gar nichts anmerken ließe. So beschloss ich, später, wenn ich meinem Vater von der Begegnung berichtete, ihm die Frage zu stellen.
Im Stall herrschte rege Betriebsamkeit, da jetzt am späten Nachmittag, wo die größte Hitze des Tages vorbei war, alles für den zweiten Ausritt vorbereitet wurde. Die eine Hälfte der Pferde hielt sich morgens auf der Koppel auf, während die andere Hälfte beritten wurde, gegen Abend wechselte man. Einigen Pferden wurden Sättel und Reitgeschirr angelegt, andere vor Streitwagen gespannt. Jenseits der Stallungen lagen die Übungsbereiche. Zwischen Palmen und Sykomoren hindurch schlängelten sich in deren Schatten die Wege für die Streitwagen. Neben den verschiedenen Koppeln für Hengste, Stuten und ihre Jungpferde gab es ein weiträumiges Übungsgelände mit Hindernissen wie niedrige Mauern, Holzstapel, umgekippte Streitwagen und kleine Teiche. Dazu waren zahlreiche, aus Bast geflochtene Zielscheiben aufgestellt und etwa vier Ellen hohe Baumstämme in den Boden eingelassen. Zehn oder zwölf Reiter jagten auf ihren Pferden kreuz und quer durch dieses Gelände und schossen im Reiten ihre Pfeile auf die Zielscheiben oder schlugen mit Streitäxten auf die Baumstämme ein. Das Treiben wurde vom Kampfgeschrei der Krieger oder von noch lauter gebrüllten Kommandos der Vorgesetzten begleitet.
«Die Krieger und die Pferde üben hier, mit Schwierigkeitenfertig zu werden, wie es sie so oder ähnlich in einer Schlacht gibt», erklärte mir der Thronfolger.
«Es sind die Soldaten der Leibgarde meines Vaters, die besten Krieger unseres Landes!», fuhr der Prinz mit stolzem Ton fort, als wären es seine eigenen.
«Habt Ihr auch schon einmal daran teilgenommen?», wollte ich wissen.
«Ja, schon mehrmals! Da war ich aber alleine auf dem Gelände, und der Hauptmann der Garde beschäftigte sich nur mit mir. Sonst durfte niemand auf dem Gelände sein und zusehen.»
«Weshalb wart Ihr alleine?» Mit hochgezogenen Augenbrauen schaute ich den Prinzen an und konnte diese Vorsichtsmaßnahme gar nicht verstehen.
«Es könnte ja sein, dass ich Fehler mache oder sogar vom Pferd stürze. Es ist nicht gut, dass Soldaten sehen, wenn ein Prinz als ihr künftiger Vorgesetzter oder sogar Herrscher eine Schwäche zeigt.»
«Auch vor mir nicht?», wollte ich wissen.
«Nicht zum jetzigen Zeitpunkt. Wir werden sicher an vielen militärischen Übungen gemeinsam teilnehmen. Aber erst, wenn ich über ausreichende Kenntnisse verfüge, und von keinem der Beteiligten wegen eines Anfängerfehlers verspottet werden kann.»
Durch solche Äußerungen des Prinzen wurde mir klar, dass er neben unserer gemeinsamen Erziehung noch weiteren, tiefer gehenden Unterricht erhielt, wodurch seine freie Zeit sicher noch knapper bemessen war als meine. Umso mehr war ich mir natürlich der Ehre bewusst, dass er sie mit mir verbrachte.
Inzwischen rasten auch schon die ersten Streitwagen durch die Baumalleen. Sie waren mit zwei Soldaten besetzt, einem Wagenlenker, der auch ein Schild trug, und einem Schützen. Beide trugen einfache Lederhelme, und nur ihre Arme warendurch Lederbandagen besonders vor Verletzungen geschützt. Der Kämpfer trug einen Kriegsbogen. In zwei Köchern, die seitlich am Wagen befestigt waren, steckten die Pfeile, in einer besonderen Halterung befanden sich weitere drei Speere. Hinter einigen Sykomoren hatten sich Krieger versteckt, die plötzlich, wenn ein Wagen vorbeifuhr, mit einer Stange hervorsprangen und versuchten, den Kämpfer herunterzustoßen. Aufgabe des Wagenlenkers war es, in voller Fahrt sofort zu reagieren und seinen Nebenmann mit dem Schild zu schützen und den Stoß abzuwehren.
In unterschiedlichen Entfernungen zu dieser Rennbahn standen Zielscheiben. Die Scheiben direkt neben dem Weg wurden mit den Speeren beworfen, auf die anderen Scheiben schossen die Kämpfer ihre Pfeile ab.
«Wie auch die Armee selbst, so besteht die Leibgarde aus drei Einheiten, die nach Amun, Re und Ptah benannt sind. Man erkennt sie an der Farbe der Helme und an der Brüstung der Wagen: Amun blau, Re gelb und Ptah rot», erklärte mir Prinz Amenophis.
«Das ist auch hier nötig, um den Ehrgeiz anzustacheln. Die Soldaten führen genaue Listen über die Treffer und die abgeworfenen Krieger.»
«Deine Lieblingsfarbe ist demnach blau, habe ich recht?»
«Genau so ist es, Eje! Komm, lass uns jetzt zu meinen Pferden gehen.»
Als wir den mir bereits so vertrauten Stall
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