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Im Land des Falkengottes. Amenophis

Im Land des Falkengottes. Amenophis

Titel: Im Land des Falkengottes. Amenophis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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Schattenhäuser nannte, und an kleinen Kapellen.
    In den Teichen schwammen verschiedene Arten von Wildenten mit bunt schillernden Federn, wie ich sie noch nie gesehen hatte. Auf den Grasflächen stolzierten Kraniche, Strauße und Flamingos, Schildkröten krochen schwerfällig umher, sich ein schattiges Plätzchen suchend. Auf einigen Bäumen hockten Paviane, die mit langen Lederriemen am Davonlaufen gehindert wurden, und fraßen gemächlich eine Dattel nach der anderen. Aus einigen Schattenhäusern ertönten die zärtlichsten Klänge von Harfen und Flöten, und für einige Augenblicke hatte ich den Eindruck, als wäre das alles nicht von dieser Welt.
    Gewiss, auch unser Garten war groß, üppig bepflanzt undsehr gepflegt, aber die Gärten des Guten Gottes übertrafen alles, was ich bis dahin gesehen hatte. Immer wieder blieb ich kurz stehen und sah mir in einem Teich Fische an, suchte in den Baumkronen die keckernden Affen oder bestaunte die Pracht tausender Blüten. Zuletzt schloss ich einfach kurz die Augen, um den mich umgebenden Duft noch intensiver zu erfassen, und atmete schwer ein und aus.
     
    Als ich wieder aufblickte, erschrak ich von dem Anblick, der sich mir bot, so sehr, dass ich sofort gestorben sein wollte: Er, den man den Guten Gott nannte, Pharao Thutmosis Men-chepru-Re, Herrscher von Ober- und Unterägypten, stand vor mir.
    Vier Würdenträger waren bei ihm, doch ehe ich mir auch nur den kleinsten Gedanken darüber machen konnte, wer sie waren, tat ich das einzig Richtige: Ich ließ mich vornüber zu Boden fallen, streckte die Hände nach vorne und blieb völlig bewegungslos liegen. Nur Prinz Amenophis konnte mich jetzt von der ewigen Verdammnis retten. Ich hatte es gewagt, die unzugänglichen Gärten des Guten Gottes zu betreten! Ich, ein Knabe von zwölf Jahren!
    «Solltest du nicht beim Unterricht sein, Amenophis?», fragte eine Stimme, die gleichmäßig, ruhig und überlegen klang.
    «Juja hat den Unterricht für heute schon beendet, Vater, und mein Freund und ich waren gerade auf dem Weg zu den Ställen. Wir wollten nach meinen Pferden sehen.»
    «Wie heißt denn dein Begleiter?», wollte der Gute Gott jetzt wissen, und mir war klar, dass ich ab sofort keinen noch so kleinen Fehler machen durfte, wollte ich länger der Freund des Prinzen sein.
    «Vater, das ist Eje, der Sohn von Juja und Tuja.»
    «Erhebe dich, Eje!», befahl Pharao.
    Mit den Armen richtete ich erst meinen Oberkörper auf, bis ich kniete, immer darauf bedacht, den Kopf nicht zu erheben.Schließlich stand ich mit gesenktem Haupt vor dem Guten Gott.
    «Du darfst mich anblicken, Eje!»
    Langsam hob ich den Kopf und überlegte dabei, ob ich ihm wirklich in die Augen schauen durfte oder ob ich den direkten Blickkontakt zu vermeiden hatte. Ich entschloss mich zu Letzterem und starrte meinem Gegenüber auf den goldenen Halskragen.
    «Ich möchte in deine Augen sehen, Eje, schau mich an!», befahl er.
    Zum ersten Mal in meinem Leben sah ich in die Augen eines Herrschers unseres Landes, des Guten Gottes. Es waren müde Augen, mit dunkelgrünen Pupillen, umrahmt von grün-schwarzer Farbe, die seitlich der Augen spitz auslief. Das schmale Gesicht war faltig. Der König trug unter einem goldenen Stirnreif mit einem prächtigen Uräus das Nemes-Kopftuch. Der goldene Halskragen schien ihn fast zu erdrücken. Im blendend weißen Faltenschurz, den er ohne Prunkgürtel trug, steckte ein Zierdolch. Sein kahl rasierter, extrem schlanker Körper wirkte muskulös. Es war der Körper eines großen Kriegers.
    «Weißt du, Eje, ich will immer die Augen der Menschen sehen, die mir gegenüberstehen – die Augen meiner Freunde und die meiner Feinde.»
    Ich blieb stumm vor Aufregung. Außerdem wusste ich, dass der König nur angesprochen werden durfte, wenn man auf eine Frage zu antworten hatte.
    Während mich der Gute Gott ansah, bemerkte er zu seinen Begleitern: «Der Junge kann seinen Vater wirklich nicht verleugnen.» Dann machte er einen Schritt auf mich zu, gab mir einen Klaps auf den Hinterkopf und sagte zu Amenophis und mir: «Also, ab zu den Pferden! Und ärgert mir den Stallmeister nicht zu sehr!»
    Während Prinz Amenophis an der Gruppe vorbei und davon lief, verneigte ich mich nochmals tief vor dem Guten Gott und jagte schließlich dem Thronfolger hinterher, was die Beine hergaben. Erst im Pferdestall konnte ich wieder verschnaufen.
    Ich hätte Prinz Amenophis zu gerne gefragt, ob ich alles richtig gemacht hatte. Irgendeine innere Stimme

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