Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Land des Falkengottes. Amenophis

Im Land des Falkengottes. Amenophis

Titel: Im Land des Falkengottes. Amenophis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
Vom Netzwerk:
Stuhl. Die Füße der Tische und der Stühle waren Löwentatzen nachgebildet. Die Sitz- und Rückenflächen der Stühle bestanden aus rot gefärbtem Leder. Nur ein Stuhl am mittleren der drei Tische war ganz aus Holz, mit kunstvollen Schnitzereien versehen und teilweise vergoldet. Dies war der Platz des Prinzen.
    Auf den Tischen standen Platten und Schüsseln mit den verschiedensten Speisen. In Öl eingelegte Zwiebeln, Knoblauch und Oliven, dazu Fladenbrot mit verschiedenen Tunken, getrockneter und scharf gewürzter Fisch, Schalen mit frischen Weintrauben, Feigen und Datteln, und schließlich wurde für jeden ein frisch gebratenes, nach Thymian duftendes Huhn aufgetragen.
    Die zwei nubischen Diener rückten die für uns bestimmten Stühle zur Seite, sodass wir auf ihnen Platz nehmen konnten, und blieben neben uns stehen. «Fang an!», sagte der Prinz und machte mit seiner linken Hand eine ausladende Bewegung über die Tische hinweg, als sollte ich alles alleine essen. Zunächst probierte ich sämtliche Tunken. Die erste, wohl aus Rahm und mit allen erdenklichen Kräutern gemischt, schmeckte stark nach Knoblauch und war sehr scharf. Eine andere bestand in ihrer Grundsubstanz aus gepressten Tomaten, mit Olivenöl verrührt und mit geriebenem Trockenfisch versetzt. Sie passte besonders gut zu dem gebratenen Huhn.
    Prinz Amenophis war ein eindrucksvoller Esser. Während ich noch die Hälfte meiner Portion vor mir hatte, war sein Huhn bereits verspeist, und er tauchte Brot für Brot in die Soßen und genoss das Mahl mit sichtlichem Vergnügen. Wie es sich für Jungen in unserem Alter gehört, tranken wir Wasser mit Zitronensaft und Zimt. Zuletzt machten wir uns noch über Feigen und Weintrauben her, bis ich keinen Bissen mehr hinunterbrachte. Prinz Amenophis griff noch einmal nach einer besonders großen Traube, stand auf und zeigte mir die übrigen Räume, die er bewohnte.
    Zuerst gingen wir in sein Arbeitszimmer. Gegenüber dem Eingang blickte man durch eine mit kleinen Säulen unterteilte Fensteröffnung, welche die ganze Breite des Raumes einnahm, in einen herrlichen Garten mit unzähligen Palmen und Sykomoren, die dem Arbeitszimmer Schatten spendeten. Vor dem Fenster stand in der Mitte ein großer Schreibtisch mit einem ebenso schönen Stuhl wie im Speisezimmer. Auf dem Tisch lagen Papyrusrollen, daneben befanden sich ein goldener Becher mit einigen Schreibbinsen und eine geschnitzte Elfenbeinpalette für die Farben. An der linken Wand ragte ein sehr hohes, offenes Regal empor, das über und über mit eingerollten Papyri vollgestopft war. Auf einem weiteren, etwas kleineren Tisch lagen mir unbekannte Gegenstände aus Metall, einige Holzfiguren stellten Soldaten mit unterschiedlichen Waffen dar, daneben stand ein aus Lehm geformtes Modell einer Tempelanlage.
    «Dahinter», und der Prinz zeigte auf die nächste Doppelflügeltür, «dahinter befinden sich mein Schlafzimmer, mein Kleiderraum und mein Bad. Aber das dürfte dich kaum interessieren», erklärte er bestimmt, und wandte sich dem kleineren der Tische zu.
    «Weißt du, was das ist?», fragte er mich, während er auf das Modell zeigte. Ich schüttelte den Kopf.
    «Das wird ein Tempel, den ich einmal zu Ehren des Amun in Waset errichten werde», gab er mir gleich die Antwort.
    «Habt Ihr das Modell selbst angefertigt?»
    «Nein, von mir stammen die Zeichnungen und Pläne; das Modell fertigte dann einer der Baumeister meines Vaters an.»
    Mich erstaunte die Genauigkeit des Modells. Die Eingangstore mit den Fahnenmasten davor waren ebenso fein und genau ausgebildet wie die Opferaltäre und Scheintüren in den hinteren Tempelbereichen. Um sich eine realistische Vorstellung von der Größe der künftigen Anlage machen zu können, waren sogar kleine Figuren von Priestern und Opfertieren aufgestellt.
    «Weshalb habt Ihr so großes Interesse an einem Tempel in Waset, wo wir doch hier in Men-nefer weit weg wohnen?», fragte ich den Prinzen.
    «Mein Vater hat bereits mit Arbeiten an der Tempelanlage für Amun-Re begonnen. Der dekorierte Innenhof ist bereits fertig, und zur Zeit arbeiten die Steinmetze an einem Alabasterschrein in Form einer Barke. Außerdem soll bald der Obelisk errichtet werden, der zu Zeiten meines Großvaters, Pharao Amenophis, fünfunddreißig Jahre unberührt liegen blieb. Bei so viel Ehre für unseren höchsten Gott will ich nicht untätig bleiben und vorbereitet sein, wenn das schwere Amt einmal auf mich übergehen sollte.»
    Prinz Amenophis

Weitere Kostenlose Bücher